Hogwarts Legacy [PS5] (69h)
Ich weiß gar nicht so recht, wie ich diesen Review beginnen soll – der korrekte Startpunkt wäre wahrscheinlich die 2. Klasse der Grundschule, wo ich mit dem ersten Harry Potter-Band in das Franchise eingestiegen bin. Aber bleiben wir vielleicht besser bei der Kurzfassung Meine Liebe für das Harry Potter-Franchise begleitet mich – wie viele andere meiner Generation – seit meiner Kindheit und hat sich im Laufe der Jahre auch nicht verflüchtigt. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich die Harry Potter-Bücher gelesen und die Filme gesehen habe; ganz abgesehen von den unzähligen FanFictions, die ich vor allem in meiner Jugend und als junge Erwachsene gelesen habe. Als Hogwarts Legacy angekündigt wurde, war meine Begeisterung dementsprechend natürlich sofort entflammt. Dass Hogwarts Legacy ein Day 1-Titel werden würde, stand insofern auch seit Stunde Null fest und seit dem offiziellen Release-Tag der Standard-Version (vorletzter Freitag) habe ich mich dann nach all der Wartezeit freudig nach Hogwarts begeben. Obwohl wir erst Februar haben, kann ich jetzt schon mit Bestimmtheit sagen, dass Hogwarts Legacy ein sehr heißer Anwärter für mein persönliches Game of the Year ist – ehrlich gesagt sehe ich im Moment nicht, welcher angekündigte, diesjährige Release ihm diese Krone noch streitig machen könnte. Aber ich lasse mich gerne überraschen
Bevor ich zu meinen Lobeshymnen komme, erst einmal zum Spiel an sich: Hogwarts Legacy ist ein Open World-RPG von dem US-amerikanischen Studio Avalance Software, das in den letzten Jahren vor allem an den Disney Infinity-Spielen gearbeitet hat. Hogwarts Legacy erfüllt allen Franchise-Fans den Traum, seinen eigenen Hogwarts-Brief zu erhalten und als Neuling in Hogwarts eingeschult zu werden – mit allem was dazu gehört (also die Zuordnung zu einem Haus, die Auswahl eines Zauberstabs etc.). Das Besondere: Wir werden nicht als Erstklässler eingeschult, sondern der Protagonist bzw. die Protagonistin ist eine Art „Spätzünder“ und beginnt den Unterricht mit den gleichaltrigen Kindern der fünften Klasse. Da uns 4 Klassen fehlen, erhalten wir von unseren Lehrern neben dem normalen Unterricht auch ‚Sonderunterricht‘ im Rahmen dessen wir Zaubersprüche lernen, die wir eigentlich längst kennen müssten – immerhin stehen am Ende der 5. Klasse die ZAG-Prüfungen an. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit unseres Charakters: Schon auf unserem Weg nach Hogwarts stellen wir und unser Professor Eleazar Fig fest, dass wir über magische Fähigkeiten verfügen, von denen noch nicht einmal der erfahrene Professor jemals gehört hat... Schon bald werden wir dadurch in die um Hogwarts schwelenden Konflikte mit den Kobolden hineingezogen und geraten auch an die sogenannten Aschwinderinnen, eine Organisation krimineller Magier, die sich mit den Kobolden verbündet haben.
Eigentlich gehe ich ja immer zuerst auf die Story ein, doch dieses Mal hat es einige Spielstunden gedauert, bevor ich mich wirklich ernsthaft mit dieser beschäftigt habe, denn: Für die ersten ca. 10-15 Stunden war ich hauptsächlich damit beschäftigt, Hogwarts zu erkunden. Das Design des Schlosses hat wirklich meine kühnsten Erwartungen übertroffen: An jeder Ecke erkennt man bekannte Orte und Artefakte, sei es die große Halle, seien es die Gemeinschaftsräume der Häuser, die Unterrichtsräume etc. Es ist so viel Liebe fürs Detail in die Gestaltung des Schlosses geflossen; überall findet man Referenzen auf die Filme und die Bücher. Besondere Freude hatte ich daran, die unsichtbaren Handbuchseiten zu entdecken – Collectables, die man an zentralen Orten des Schlosses findet, aber nur, wenn man sie mit dem Revelio-Zauber aufdeckt, den man praktisch als erstes im Spiel lernt. Sie liefern Kontext zu den Orten, frischen das Gedächtnis auf oder enthalten interessante Trivia-Fakten – und es gibt davon alleine in Hogwarts über 100. Was mich besonders beeindruckt hat, ist, dass Hogwarts sich wie ein genuines, zusammenhängendes Gebäude anfühlt: Ich hatte nie den Eindruck, dass der Einfachheit halber Flure gekürzt wurden oder Sektionen ausgelassen oder zusammengelegt wurden. Hogwarts ist gewaltig groß und selbst nach 15 Stunden bin ich noch in Schlossregionen gestolpert, die ich nie zuvor gesehen hatte – und fühlte mich damit sehr stark an das erste Schuljahr von Harry, Ron und Hermine erinnert, in dem sie sich auch mehr als einmal verlaufen haben. Hogwarts ist dabei im Übrigen auch keinesfalls leer, sondern es gibt an jeder Ecke etwas zu entdecken, vor allem Collectables wie Schatztruhen mit Ausrüstung oder selteneren Sammlungs-Gegenständen und kleine Rätsel, die einen oft mit Handbuchseiten belohnen, von denen man in seinem Schuljahr so viele wie möglich sammeln soll, um die 4 Jahre Lerndefizit zumindest ansatzweise auszugleichen. Einige Regionen des Schlosses sind – ebenfalls ähnlich wie im ersten Harry Potter-Band – zunächst nicht zugänglich, da sie mit Schlössern versperrt sind und wir den Alohomora-Zauber noch nicht kennen, doch auch das ändert sich im Laufe des Spiels. Dass neue Zauber neue Areale des Schlosses öffnen und auch neue Rätsel freischalten, hat mich beständig dazu motiviert, immer wieder durch die Schlossgänge zu laufen und nach Neuem zu suchen. Hilfreich ist hier der Revelio-Zauber, der Schatztruhen golden und Rätsel und ähnliches blau hervorhebt – auch durch Wände hindurch –, sodass man immer einen groben Orientierungspunkt hat. Aus diesem Grund habe ich in den ersten 20 Spielstunden innerhalb von Hogwarts auch nie das Flohnetzwerk – die Schnellreise – benutzt, da jeder Laufweg mit spannenden Neuentdeckungen (und mehr oder weniger großen Umwegen) einherging.
Der zweite zentrale Ort neben Hogwarts ist das Zauberer-Dorf Hogsmeade, das nur wenige Kilometer nördlich des Schlosses liegt und den meisten hier ebenfalls aus den Harry Potter-Büchern und -Filmen bekannt sein dürfte. Hier gibt es neben diversen Geschäften, die uns mit Zaubertrankzutaten, Kleidung usw. versorgen, natürlich auch wieder bekannte Örtlichkeiten zu entdecken, etwa das Gasthaus Die drei Besen oder den zwielichtigen Eberkopf sowie weitere Rätsel und Handbuchseiten. Anders als in den Harry Potter-Büchern haben die Schüler dieser Epoche freien Zugang zu Hogsmeade, insofern wimmelt das Dorf zu jeder Tageszeit vor Hogwarts-Roben. Und – last but not least – hat Hogwarts Legacy natürlich auch eine klassische Open World zu bieten, die das weitläufige Gebiet um Hogwarts herum frei begehbar und erkundbar macht, mit all seinen Dörfern, Ruinen, spinnenverseuchten Höhlen und natürlich auch dem Verbotenen Wald. Auch hier gibt es zahlreiche Collectables und kleine Rätsel zu entdecken, allerdings sind sie hier natürlich nicht so dicht gestreut wie in Hogwarts selbst oder auch in Hogsmeade. Trotzdem habe ich es mir nicht nehmen lassen, auch die Oberwelt erschöpfend zu erkunden und jedem Schatzgewölbe, jeder Prüfung Merlins, jedem Astronomie-Altar etc. nachzujagen, auch wenn ich zugeben muss, dass mich gerade die Merlin-Prüfungen zum Schluss ein wenig ermüdet haben, da sie recht inflationär platziert wurden. Aber sei’s drum: Das Spiel bietet uns zahlreiche Möglichkeiten, die Oberwelt schnell zu bereisen, sei es über das Flohnetzwerk, den Besen oder auf dem Rücken eines Tierwesens. Im Menü gibt es außerdem einen Reiter mit dem Titel ‚Herausforderungen‘, der den Spieler für allerlei kleine Meilensteine belohnt, etwa wenn man 10 Prüfungen Merlins geschafft hat, 5 Trolle besiegt hat, 10 Handbuchseiten gefunden hat etc. Oft sind die Belohnungen zwar nicht weltbewegend, aber es hat mich persönlich doch dazu motiviert, bei all den Collectables am Ball zu bleiben und mich auch mit Spielelementen zu beschäftigen, die ich sonst vielleicht links liegen gelassen hätte. Dazu gehört zum Beispiel auch der Raum der Wünsche, der sich für uns zu einem praktischen Aufenthaltsbereich wandelt, in dem wir zum Beispiel Tränke brauen oder Pflanzen züchten können. Tatsächlich hängt hier auch ein halber Einrichtungssimulator an, denn wir können die weitläufigen Räumlichkeiten ganz frei individualisieren und mit Mobiliar versehen, solange wir nur die passenden Beschwörungsformeln gefunden haben, mit denen sich zum Beispiel Bücherregale, Sofas etc. aus dem Nichts erschaffen lassen.
So, nachdem ich mich nun ausgiebig über die Erkundung und den ganzen Side-Content ausgelassen habe, komme ich endlich zur Story Allerdings ohne hierbei zu viel verraten zu wollen, insofern werde ich mich kurz halten und vage bleiben: Ich mochte die Hauptstory von Hogwarts Legacy insgesamt gerne, vor allem gefiel es mir, dass man hiermit ganz neue und eigene Wege beschritten hat und dass kein ‚Recycling‘ der Harry Potter-Story stattgefunden hat. Das war natürlich einerseits schon damit gegeben, dass im Zentrum nicht ein Zaubererkrieg steht, sondern ein drohender Krieg mit den Kobolden, die seit Jahrhunderten von den Zauberern unterdrückt werden. Doch auch die besondere Form der Magie, über die der Hauptcharakter verfügt, hat seinen ganz eigenen Twist in Welt und Geschehen gebracht. Die Story war sicherlich nicht perfekt, das Pacing des Writings vielleicht nicht immer optimal, aber ich persönlich hatte unterm Strich viel Spaß mit der Erzählung, insbesondere auch mit den Rückblicken in die Vergangenheit. Neben der Haupt-Story gibt es im Übrigen auch noch Charakter-Quests bzw. Gefährten-Quests, im Rahmen derer unser Charakter Kontakte mit spezifischen Mitschülern knüpft: der naturverbundenen Hufflepuff-Schülerin Poppy Sweeting, der charakterstarken Gryffindor-Schülerin Natsai Onai und dem Slytherin-Schüler Sebastian Sallow, den wir bereits in unserer ersten Stunde mit unseren Duellier-Fähigkeiten beeindrucken. Ich fand es etwas schade, dass der Ravenclaw-Gefährte Amit Thakkar keine eigene Quest bekommen hat – vielleicht konnte man zum Schluss aus Zeitgründen auch nicht alles implementieren, was man sich vorgenommen hat –, aber die anderen Quests sind auch für die Ravenclaws verfügbar und letztlich steht die Hauszugehörigkeit auch nicht im Vordergrund des Geschehens. Jedenfalls waren die Charakter-Quests eine gute Ergänzung zur Main-Story, mein persönlicher Favorit war Hufflepuff mit Poppy Sweeting Und auch abseits dieser Charakter-Quests gibt es einige Side-Quests, mit denen ich persönlich ebenfalls viel Spaß hatte. Die Quests sind unterschiedlich komplex und umfangreich, aber wer aufmerksam spielt, wird mir Querverweisen auf andere Side-Quests belohnt.
Gerade wollte ich meinen Review schon für beendet erklären, aber dann fiel mir ein: Ich habe das Kampfsystem ja völlig vergessen. Denn auch Kämpfe sind natürlich ein integraler Bestandteil des Spiels, die Gegnertypen rangieren hier von humanoiden Gegnern wie schwarzen Magiern und Kobolden bis hin zu genuin tierischen Gegnern wie Spinnen und Wölfen. Kämpfen tut man natürlich mit dem Zauberstab und mit den zahlreichen Zaubersprüchen, die wir im Rahmen unserer Unterrichtsstunden erlernen. Schön war es, dass sich fast alle Zauber sowohl zum Gebrauch außerhalb des Kampfes eignen, als auch für die Kämpfe (z.B. Accio oder Levioso). Die Möglichkeit, im Laufe des Spiels bis zu 16 Schnellzugriff-Slots für Zaubersprüche freizuschalten, lässt einen im Kampf auch flexibel die Strategie ändern und konkret die Schwächen von Gegnern angreifen. Mir gefiel die Dynamik aus Angreifen und Blocken (Protego) oder Ausweichen (Dodge-Rolle) in den Kämpfen sehr gut, allerdings hätte ich mir gewünscht, dass man weniger auf Masse und mehr auf Timing und Strategie setzt. Zum Teil kämpft man alleine gegen 10 Gegner, die man zu 80% natürlich nicht im Blickfeld hat und auch, wenn die Verteidigungs-Prompts trotzdem auftauchen, bin ich grundsätzlich kein Freund von diesen Quantität- über Qualität-Kämpfen. Ich hätte mir ein paar mehr genuine Duelle gewünscht, wo man spezifische Strategien anwenden muss, um die Verteidigung des Gegners zu brechen und erfolgreich zu sein. Trotzdem ist das Kampfsystem dynamisch und macht auch Spaß; nur die Arena-Herausforderungen habe ich zum Schluss nicht gemacht, da mir das einfach zu anstrengend war.
Hogwarts Legacy zu spielen, war für mich persönlich eine riesige Freude, auch wenn das Spiel objektiv betrachtet keine 10/10 ist. Es hat ein paar Schwächen und Macken, zum Teil musste vielleicht auch Content gestrichen werden, für dessen Umsetzung einfach nicht mehr genug Zeit blieb. Ich persönlich fand es sehr auffällig, dass Amit keine Charakter-Quest hatte, obwohl die Main-Quest ihn als Ravenclaw-Charakter in Stellung gebracht hat. Auch das Pacing in der Charakter Quest von Natsai Onai fand ich gerade gegen Ende etwas schräg. Sicherlich könnte man auch noch ein paar Quality of Life-Features nachreichen, zum Beispiel Sortier-Optionen im Sammlungs- und Ausrüstungs-Menü sowie die Möglichkeit, bei den Cosmetics Favoriten auszuwählen. Trotzdem bin ich als Fan des Franchises völlig auf meine Kosten gekommen und ich habe mich in der Welt von Hogwarts Legacy sehr gerne verloren (wie man an der Spielzeit in Stunden im Vergleich zur Spielzeit in Tagen sieht, habe ich auch richtig reingesuchtet ). Ich bin tatsächlich ein wenig traurig, dass es nun schon wieder vorbei ist, und hoffe, dass vielleicht noch DLCs mit zusätzlichen Quests nachgereicht werden. Eigentlich hole ich ein abgeschlossenes Spiel für DLCs ja fast nie nochmal wieder raus, aber für Hogwarts Legacy würde ich eine Ausnahme machen. Ich hoffe, dass es künftig noch weitere Spiele geben wird, die sich diese zauberhafte Welt zunutze machen, auch wenn ich nicht glaube, dass es ein Spiel wie Hogwarts Legacy nochmal geben kann und wird (dafür wäre wohl zu viel Asset-Recycling notwendig). Trotzdem, ich bin sehr froh, dass Hogwarts Legacy existiert, denn es sprüht nur so vor Liebe für das Franchise und ist für mich persönlich zweifellos eines der besten Spiele der letzten Jahre
P.S.: Team Ravenclaw!