Grandia [NS] (48h)
Da ich in meiner Jugend praktisch sämtliche JRPGs/RPGs für ältere Konsolen wie die PSX verpasst habe – entdeckt habe ich das Genre für mich erst als ich 17/18 war –, stand Grandia auch noch auf meiner Liste der Spiele, die ich gerne nachholen würde, zumal eine Freundin von mir ein großer Fan der Reihe ist. Da ich heutzutage nicht mehr gerne auf den alten Konsolen spiele (u.a. aus Sorge um meine Speicherstände auf 20+ Jahre alten Memory Cards) und ebenfalls kein Fan von Emulatoren bin, habe ich mich damals sehr über die Ankündigung der HD Collection gefreut – über den digital only-Release im Westen hingegen weniger. Daher hatte ich zunächst auf einen Sale gewartet, der zwar irgendwann kam, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich die Reihe wieder ein bisschen aus den Augen verloren. Nun habe ich sie vor ein paar Wochen wieder in den Blick gefasst und habe den ersten Teil von Grandia gestern Abend nach 48 Stunden Gesamtspielzeit sehr zufrieden beendet.
Grandia ist ein JRPG von dem japanischen Entwickler Game Arts, der abgesehen von Grandia auch für die Lunar-Reihe bekannt ist, und erschien 1997 zuerst für den Sega Saturn, 1999 dann für die PSX. Es handelt sich um ein klassisches JRPG mit rundenbasiertem Kampfsystem, das seinen Fokus allerdings auf die Aktionsreihenfolge der Charaktere legt und dadurch Elemente aufnimmt, die mir v.a. aus SRPGs bekannt sind (z.B. eine Leiste, die die Aktionsreihenfolge aller Charaktere und Gegner offenlegt). Die Geschichte beginnt in einer kleinen, recht unaufgeregten Hafenstadt namens Parm, wo wir den Alltag des Protagonisten Justin, seine Freunde und seine Mutter kennenlernen. Justin, dessen Vater Abenteurer war, der aber von einer seiner Reisen nicht zurückkehrte, träumt davon, eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters zu treten; das einzige Memento an seinen Vater – ein „Spirit Stone“ – trägt er immer bei sich. Als Justin schließlich in die Welt auszieht, um selbst Abenteurer zu werden und den Mythos um die antike Angelou-Zivilisation zu erforschen, gerät er zunehmend in größere Verwicklungen und in das Visier des Militärs.
Ich persönlich hatte sehr viel Spaß mit Grandia und fand auch, dass es im Vergleich zu anderen, älteren JRPGs dieser Zeit in allen Aspekten (Gameplay, Grafik etc.) ausgesprochen gut gealtert ist. Ich hatte mich im Vorfeld praktisch gar nicht über die Reihe informiert, da ich sie einfach selbst ausprobieren wollte, und hatte mich im ersten Kampf zunächst wegen der IP Bar erschreckt (Kontext: Ich bin kein Fan von ATB-Kampfsystemen u.ä. und die Leiste erinnerte mich direkt daran), aber letztlich gefiel sie mir sogar sehr gut, weil ich diesen strategischen Aspekt der Aktionsreihenfolge auch in anderen JRPGs sehr mag (Trails, Digimon Story: Cyber Sleuth usw.). Ich persönlich präferiere es zwar, wenn man die Reihenfolge einfach als statische Liste darstellt (hier bewegen sich die Icons der Charaktere und Gegner in unterschiedlicher Geschwindigkeit über die Leiste), aber habe auch diese Umsetzung schätzen gelernt, da die Simultanität der Aktionen der Charaktere und Gegner in Kombination mit Positionierung und Waffenwahl einige strategische Optionen eröffnet, die in Trails etc. nicht möglich wären. Wenn man die Aktionen eines Charakters auswählt, friert die Leiste zum Glück ein. Ein paar Schwächen hat das Kampfsystem natürlich trotzdem, z.B. war das Pathing manchmal etwas schräg (Charaktere bleiben auf dem Weg zum anzugreifenden Gegner – manchmal nicht ganz nachvollziehbar – an Verbündeten und anderen Gegnern „hängen“ und verlieren dann ihren Zug).
Ein weiterer Punkt, der mir sehr gut gefiel und Grandia sicherlich auch von vielen anderen, älteren JRPGs abhebt: Das Spiel erfordert kein Grinding. Ich habe nicht ein einziges Mal grinden müssen und bin dafür sehr dankbar, da meine Grinding-Toleranz im Laufe der Jahre (v.a. auch mit Abnahme der mir zur Verfügung stehenden Freizeit) stark gesunken ist. Wenn man wie ich in jedem Gebiet alle Gegner besiegt, ist man zum Schluss sogar ein bisschen „overpowered“; wer also eine Herausforderung sucht, lässt besser ein paar Gegner stehen. Trotzdem gibt es durchaus ein paar Möglichkeiten zu grinden, allerdings hier primär im Rahmen des Skill-Systems. Dieses funktioniert so, dass jeder Charakter verschiedene Arten von Waffen ausrüsten kann (z.B. Messer und Peitsche) und alle 4 Magie-Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) erlernen kann. Diese Affinitäten levelt man auf, indem man entsprechende Fähigkeiten benutzt – bei normalen Angriffen kein Problem, bei Magie durchaus nicht immer ganz einfach, da MP natürlich eine limitierte Ressource sind. Um Zauber oder Spezialangriffe zu erlernen, muss man also zuerst den notwendigen Waffen- und Elementlevel erreichen, oft sind hierfür durchaus 2-3 verschiedene Werte notwendig. Das ist natürlich ein System, das zum Grinding einlädt (zumal ich meine MP chronisch zurückhaltend benutze und gerne ein „Polster“ für Heilung etc. behalte), aber zum Glück kommt man durch das Spiel auch recht gut durch, ohne auf jedem Charakter jede Fähigkeit erlernt zu haben. Später habe ich zwar durchaus darauf geachtet, zumindest mit meinen beiden Magiern in jedem Kampf irgendeinen Zauber zu verwenden, aber in der zweiten Hälfte des Spiels waren die MP-Vorräte auch komfortabler und man hat im Laufe des Spiels ein paar Strategien gelernt, um das Leveln zu beschleunigen (z.B. bekommt man Erfahrung pro getroffenem Gegner, dadurch sind AOE-Zauber und große Gegnergruppen besonders geeignet). Der Vorteil dieses Systems ist natürlich, dass man sich seine Charaktere selbst so „skillen“ kann, wie man es gerne mag. Wer gerne mit 4 Magiern spielt, kann das grundsätzlich machen – ich persönlich hatte zum Schluss 2 Nahkämpfer und 2 Magier.
Auch hinsichtlich der Story war Grandia für mich insgesamt eine runde Erfahrung: Die Charaktere sind sympathisch, es gibt viele humorvolle Interaktionen und gerade am Anfang weht ein angenehmer Abenteuergeist durch das Geschehen. Im weiteren Verlauf wird die Story dann immer ernster, es steht immer mehr auf dem Spiel und die Charaktere spüren das auch sehr deutlich – was als lustige Abenteuerreise begann, wird zunehmend zu einem Kampf um das Schicksal der ganzen Welt. Am Ende bleiben leider einige Fragen offen bzw. Fäden liegen, aber insgesamt fühlte sich das Spiel doch abgeschlossen an. Übrigens lohnt es sich in Grandia, mit den NPCs zu sprechen und zwar durchaus auch mehrfach, denn der Dialog ändert sich bei vielen NPCs mehrmals, auch nach größeren Story-Events. Irgendwann ist mir dabei der Atem zwar zunehmend ausgegangen, aber ich bin im Laufe meiner Zeit mit dem Spiel auf einige lustige Dialoge gestoßen, gerade zu Beginn. Ihren Beitrag hierzu leisten auch die Charakter-Porträts der Team-Mitglieder und zentraler NPCs, die ich stilistisch und motivisch sehr gelungen fand. Einer der wenigen Aspekte, der in Grandia nicht gut gealtert ist, ist allerdings das Voice Acting. Die HD Remaster-Version hat bereits den „Vorteil“, die zum Teil wohl sehr gruselige deutsche Synchronisation nicht zu enthalten, aber der englische Dub ist ehrlich gesagt auch nur marginal besser gelungen. Ich glaube, ich persönlich hätte hier lieber völlig ohne Dub gespielt und die Stimmen der Charaktere meiner Phantasie überlassen.
Abschließend kann ich nur festhalten, dass Grandia ein sehr gelungenes JRPG mit sympathischen Charakteren und einem interessanten Kampfsystem ist, dessen Charme sich auch heutzutage noch gut vermittelt. Ich persönlich freue mich schon sehr auf den zweiten Teil, werde jetzt mit Ys IX aber erst einmal wieder ein Action-JRPG in Angriff nehmen, um ein wenig Varianz zu haben