inzwischen haben sich auch hier wieder zwei, drei Titel angesammelt
Vor kurzem beendet. Viel muss zum Spiel wohl nicht gesagt werden. Jeder, der Adventures mag, wird Baphomets Fluch bereits gespielt oder zumindest davon gehört haben. Aber irgendwie muss ich ja auf meine langen Beiträge kommen.
Die Geschichte beginnt direkt ohne langes Hin und Her mit einem Paukenschlag. Der Amerikaner George Stobbart verbringt die letzten Tage seines Urlaubs in Paris, als direkt vor ihm in einem Cafe eine Bombe explodiert. Er selbst kommt mit dem Schrecken davon, ein älterer Herr hatte allerdings weniger Glück. Da sich die prompt eintreffende Polizei weder großartig für den Fall noch für die Tatsache, dass George den Attentäter im Kostüm eines Clowns persönlich gesehen hat, interessiert, beginnt er mit seinen eigenen Nachforschungen. Dabei steht ihm die Journalistin Nico zur Seite, die selbst an den Hintergründen interessiert ist, da sie eigentlich vom Opfer zu einem Interview gebeten wurde. Als George schließlich das Versteck des Mörders ausfindig macht und dort eine mittelalterliche Schriftrolle findet, wird klar, dass mehr hinter dem Anschlag steckt, als es den Anschein hat. Und auch die Tempelritter, zu deren lange verschollenen Schätzen besagte Rolle offenbart führt, sind scheinbar nicht so ausgestorben, wie sie es eigentlich seit Jahrhunderten sein sollten....
Die Handlung beginnt als reines Detektivspiel, in dem es darum geht, der Spur des Killers zu folgen, aber nach dem ersten Viertel und dem Fund der Schriftrolle entwickelt sich die Geschichte nahtlos zu einem Historien-Thriller im Sinne eines DaVinci Codes, wenn auch sechs Jahre früher erschienen. Das Abenteuer ist vergleichsweise ernst, keine Comedy, wie es für Adventures gern verwendet wird, aber alles andere als langweilig, da die Suche nach dem Mörder bzw. das Mysterium um die Templer durchgehend spannend erzählt wird und man immer wissen will, wie es weitergeht.
Vor allem tragen aber die Charaktere zum Charme des Spiels bei. Niemand ist übertrieben dargestellt, allerdings gibt es genügend Personen mit ganz eigener Persönlichkeit, die im Gedächtnis bleiben, etwa die resolute Lady Piermont im Hotel Ubu, den grantigen Gärtner Lopez, der am liebsten jeden sofort an die Hunde verfüttern würde, oder (und auch nach all den Jahren noch einer meiner Favoriten) der junge Nejo im syrischen Dorf, der ein Meister der Rethorik ist und auch noch den letzten Plunder als historisches Artefakt anzupreisen vermag.
Auch Protagonist George ist sehr symphatisch und gehört selbst heute noch konsolen- und genreübergreifend zu meinen liebsten Charakteren. Er ist kein übertriebener, strahlender Held, der immer das Richtige tut, sondern einfach nur ein ganz normaler Kerl, der zufällig in die Geschichte hineingeraten ist. Und grad diese Normalität ist eine seiner Stärken. Davon abgesehen verfügt er über einen sehr feinen und dezenten Humor, der vor allem in der zweiten Hälfte zur Geltung kommt. Da kommt schon gern die ein oder andere Spitze gegen andere Charaktere oder sogar den Spieler selbst. Versucht man etwa, auf irgendein waghalsiges Konstukt zu klettern, reagiert er darauf nicht mit dem typischen Standardspruch a la "Das ist zu hoch und nicht sicher genug" oder "Es ist zu gefährlich. Das riskiere ich nicht", sondern liefert gern etwas im Sinne von "Ich habe mir einmal als Kind ein Bein gebrochen. Das muss ich jetzt nicht unbedingt wiederholen". Im weiteren Verlauf der Reihe entwickelt sich Georges Humor übrigens konsequent weiter, bis man dann mit dem vierten Teil leider übers Ziel hinausschießt. Im Engel der Finsternis ist Herrn Stoppelbart nichts mehr heilig und er kommentiert alles äusserst sarkastisch, woraufhin im Sündenfall, dem jünsten Ableger, dem Erbauer sei Dank wieder zurückgerudert wurde und er charakterlich mehr seinen ersten beiden Inkarnationen gleicht.
Gameplaymässig ist Baphomets Fluch ein Adventure der alten Schule. Man spricht mit Leuten über verschiedene Themen, sammelt neue Informationen und Hinweise, nimmt Items mit, die man später erst benötigt und schaltet nach und nach neue Orte frei. Keine großen Experimente in den 90ern. Etwa die Hälfte des Spiels findet in Paris statt, allerdings geht es auch in einen irischen Pub inklusive Burgruine, ein spanisches Landhaus, ein syrisches Dorf und zum Finale nach England. Interessanterweise wird einem teilweise sogar eine gewisse Offenheit vorgegaukelt. Es gibt eine Übersichtskarte mit verschiedenen Zielen, hat man an einem Ort wie dem Hotel Ubu oder dem Krankenhaus die Handlung beendet, wird das Ziel ausgegraut und kann nicht mehr besucht werden, obwohl immer noch auf der Karte präsent. Andere Plätze dagegen sind dauerhaft verfügbar, auch wenn man sie unter Umständen nicht mehr braucht.
Das Spiel ist komplett auf Deutsch synchronisiert, Alexander Schottky als George liefert einen exzellenten Job ab und trägt einiges zur Symphatie des Charakters bei, Nico wird von Franziska Pigulla gesprochen, die man damals als Stimme von Scully aus Akte X kannte, heute dann eher von Galileo, wo sie uns regelmässig die zehn gefährlichsten U-Bahnhöfe der Welt vorstellt. Oder ähnlichen Unsinn.
Auch die restlichen Personen machen eine gute Arbeit, wobei mir allerdings jetzt erst aufgefallen ist, wie wenig Sprecher es gibt. Lady Piermont und Pearl etwa, zwei der wichtigsten NPC-Damen im Spiel, haben die gleiche Sprecherin, wahrscheinlich sogar noch die spanische Gräfin. Es wiederholt sich halt viel, aber so dramatisch ist es auch nicht.
Für mich selbst hat das Spiel einen besonderen Platz, da es mich damals ziemlich geprägt hat. Ich wurde erst durch die Ankündigung des Nachfolgers auf die Reihe aufmerksam und ein Bekannter hat mir dann aus einer Spielesammlung den Erstling für zehn Gulden verkauft. Müsste also um das Jahr 1997 gewesen sein, und obwohl ich da auch schon 13 war, hatte ich doch noch diese kindliche Begeisterung. Da setzte man sich zwischen Mittagessen und Hausaufgaben eine Stunde am Nachmittag oder am Abend, bevor die Eltern ins Bett gingen, vor den PC und versuchte, in der Geschichte voranzukommen. Sehr gut erinnere ich mich noch an die verschiedenen Sackgassen, an denen man tagelang verzweifelte, und den Adrenalinmoment, wenn George nach irgendeinem Kommando nicht "Das geht so nicht" oder "Das funktioniert so nicht" sagt, sondern plötzlich tatsächlich etwas macht. Das Bodengitter vor dem Pub in Lochmarne etwa oder, ganz schlimm, die Klobürste in Marib. Und genausogut erinnere ich mich an das Installationsmenü mit der geheimnisvollen Musik und dem Fräulein, das vor falschen Grafikeinstellungen warnt, weil diese "schwerwiegende Störungen hervorrufen können" und das dann im Optimalfall die Dateien kopiert. Übrigens gab's dann doch wieder irgendein Problem. Bei Andrastes Informatikhandbuch, keine Ahnung, wie man sowas damals ohne Internet gelöst hat. Das war damals schon eine wunderbare Zeit.
Im Ganzen ist Baphomets Fluch ein moderner Klassiker und nach wie vor eins der besten Adventures. Eine Empfehlung erübrigt sich aufgrund der hohen Bekanntheit der Reihe an sich, aber wer Adventures mag und tatsächlich noch nicht zugegriffen hat, der sollte sich schleunigst danach umsehen.
Aaaaaaaber......