Vorgestern war es mal wieder so weit: Eine News über Diversität in Final Fantasy 7 ist erschienen und zog viele Meinungen an. Viele starke Meinungen, welche zu einer teils anregenden und durchdachten, leider aber auch teils angespannten und aufgeheizten Diskussion führte.
Das Thema Diversität und Queercontent in Medien wird immer stark diskutiert. Eine wichtige Diskussion, die aber nicht immer gesittet geführt wird und oft auf beiden Seiten zu Frust und Unverständnis führt. Was schade ist, weil ich glaube, dass keine der beiden Parteien intolerant ist, sondern sich teils einfach starke Gefühle und Ansichten in einem ungesunden Maße entladen.
Ich selbst halte jedes Mitglied dieses Forums für intelligent, mitfühlend und respektvoll.
Nur, warum zeigen sich diese Eigenarten in solchen Diskussionen oft einfach nicht? In diesem Thread möchte ich versuchen, Verständnis für beide Parteien zu schaffen und, so gut ich es mit meiner eingeschränkten Perspektive kann, mögliche Einsichten zu bieten. Mein Kommentar soll euch als Einladung dienen, eure eigenen Perspektiven ruhig und sachlich darstellen zu können und weitere Perspektiven zu öffnen, was anderen eure Einstellungen klarer macht und Missverständnisse aus dem Weg räumt.
Daher soll dieser Kommentar nur der Start sein, euch zu helfen, euch anzunähern und Vorurteile sowie Unverständnis abzubauen.
Ich selbst bin aber nur ein einfaches Küchlein, dass auch nur eine eingeschränkte Sichtweise habt. Bitte helft mir also dabei, dies mit weiteren Perspektiven zu ergänzen.
Für den Anfang möchte ich versuchen, beide Ansichten zu durchleuchten und Absichten aufdecken, die hinter extrem wirkenden Kommentaren stecken könnten.
Part 1: Kritik und Frust gegenüber LGBTQ
Zunächst beginne ich mit jenen Usern, die sich aufgrund verschiedener Gründe von queerem Content distanzieren oder gar davon frustriert sind. Ich werde erst einmal die Grundaussage tätigen und möchte dann näher darauf eingehen:
"Homosexualität ist mir unangenehm. Ich fühle mich mit solchen Inhalten in Videospielen nicht wohl."
Fangen wir mit diesem einfachen Ausdruck des Unwohlseins an. Es ist eine Aussage, die ich schon einige Male im Forum hier gelesen habe, oft aber auch mit dem Haken, dass entsprechende Personen befürchten, dafür als intolerant angesehen zu werden. Dies möchte ich direkt entkräften.
Die Person beschreibt hier ein einfaches Gefühl des Unwohlseins. Dieses Gefühl sollte ebenso respektiert werden wie Homosexualität an und für sich.
Sexualität umfasst nicht nur, wozu man sich hingezogen fühlt, sondern auch, wozu man eine innere Abneigung hat. Ich selbst bin asexuell. Von Asexualität gibt es mehrere Abstufungen. Manche empfinden dabei einfach nichts, sind aber auch nicht abgeneigt, etwa, weil der Partner es sich wünscht oder um sich einen eigenen Kinderwunsch zu erfüllen. Es kann aber auch sein, und unter diese Kategorie falle auch ich, dass man eine komplette Abneigung gegenüber sexuellen Inhalten empfindet, sich sogar angewidert fühlt. Ich kann mit solchen Inhalten nichts anfangen, fühle mich nicht gut dabei, schaue dann weg. Ich mag so etwas gar nicht!
Aber dieses Gefühl muss ja nicht nur allgemein bei sexuellen Handlungen auftreten, sondern eben spezieller bei homosexuellen Inhalten. Man fühlt dann eine starke Abneigung, vielleicht sogar negativere Gefühle, nicht, weil man intolerant ist oder es nicht akzeptiert... sondern einfach, weil man eine spezielle sexuelle Abneigung hat, für die man halt auch nichts kann.
So, wie auch Menschen mit queerem Hintergrund nicht eines Tages aufwachen und sich gedacht haben "Jup, ab heute stehe ich auf mein eigenes Geschlecht" oder "Cool, von heute an fühle ich mich in meinem Geschlecht gefangen, erstmal ändern" sind auch diese Menschen nicht einfach aufgewacht und haben sich gedacht "Jo, erstmal Abneigung gegenüber Homosexualität empfinden, das wird mir sicher viele Freunde bringen".
Zuneigung und Abneigung sind beide Teile der eigenen Sexualität und Identität und beide Formen sollten gleichermaßen respektiert werden, sofern natürlich Abneigungen nicht zu Intoleranz und Ausgrenzung führen.
Ehrlich gesagt finde ich Toleranz seitens der Menschen, die solche Abneigungen empfinden, sogar noch wesentlich respektabler, weil es für sie eben bedeutet, dass sie in der Lage sind, Dinge zu akzeptieren, die ihnen unangenehm sind.
Daher sollten sie zumindest diese Abneigung frei ausdrücken dürfen.
Auch sollten sie sagen dürfen, wenn sie explizit Spiele mit queerem Inhalt aufgrund ihrer Abneigung vermeiden möchten.
Diese Aussagen an und für sich machen sie in keinster Weise intolerant!
"In Spielen ist mir zu viel Political Corectness / Spiele sind mir zu woke."
Kommen wir nun zu einem etwas komplizierteren Thema. "Wokeness" in Spielen und der Umgang damit.
Auch hier im Forum gibt es User, die auf die eine oder andere Weise von LGBTQ-Content in Spielen gefrustet sind, sei es, weil es zu viel davon gibt oder weil er einen zu hohen Fokus in den Medien einnimmt. Diese Aussagen können kritisch sein, weil sie natürlich auch gerne von rechter Seite genutzt werden und somit von Intoleranz deuten KÖNNEN!
Allerdings MUSS das nicht der Fall sein.
Ich werde nun verschiedene mögliche Gründe dafür aufzählen und dann versuchen, andere Perspektiven anzubieten oder wie man seine eigenen Bedürfnisse konstruktiver ausdrücken könnte.
Zum einen kann das mit dem Gefühl des Unwohlseins in Verbindung stehen.
Gerade, wenn ein starkes Unwohlsein eintritt, wenn man mit bestimmten queeren Thematiken konfrontiert wird, kann sich gewisser Frust anstauen, wenn er in vielen Spielen enthalten ist. Entweder muss man Spiele vermeiden, die diese Thematiken haben, wodurch die Auswahl eingeschränkt wird oder das Unwohlsein ein unangenehmer Teil der Erfahrung ist. Bringt man dann seinen Frust zum Ausdruck, gilt man auch noch als intolerant, wodurch sich der Frust noch weiter verstärkt und die Aussagen intensiver und vielleicht auch engstirniger zum Ausdruck gebracht werden. Das eigene Gefühl entwickelt sich zu einer allgemeinen Ablehnung und in der Steigerung sogar zur Auflehnung gegen solchen Content.
Scheut euch nicht davor, eure eigenen Gefühle direkt zum Ausdruck zu bringen. Bittet um Toleranz und Akzeptanz dieser Gefühle, sie verdienen ebenfalls großen Respekt!
Es könnte auch ein Bedenken dahinter stecken, dass Homosexualität oder Transidentität durch eine zu große Aufmerksamkeit "entnormalisiert" werden.
Denn wenn bei jeglicher Repräsentation von Minderheiten in Medien immer ein großer Wirbel darum geamacht wird, dann wirkt diese Minderheit doch einfach "besonderer", "spezieller", eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was wir erreichen möchten. Sie soll ja eigentlich nichts Besonderes sein, sondern genau wie Heterosexualität und Cis-Identität einfach ein Teil des Alltags sein. "Homosexuelle Menschen sollen einfach homosexuell sein", habe ich auch in der Diskussion gelesen.
Im Grunde steckt dahinter ja der gleiche Wunsch, den ja auch die queere Community hat - Normalisierung von LGBTQ.
Ich verstehe euren Ansatz sehr gut und ich glaube, das ihr das Beste wollt. Allerdings wird die LGBTQ-Thematik leider alles andere als "normal" angesehen in weiten Teilen der Welt. Wenn also auf gute Repräsentation in Spielen aufmersam gemacht wird, geht es nicht darum, die Queernes als "besonders" darzustellen, sondern darum, Fortschritte im Verständnis zum Thema zu feiern und noch größeres Verständnis zu schaffen. Aktuell braucht die queere Community ein Sprachrohr, um sich auszudrücken und möchte gesehen werden.
Es sind noch viele Schritte nötig und es muss noch viel Verständnis geschaffen werden, bis wir die "Normalisierung" erreicht haben.
Eventuell steckt eine Kritik dahinter, dass die Thematik zu viel Platz einnimmt gegenüber anderen, wichtigen Themen.
Toleranz ist ein enorm wichtiges Thema, aber natürlich sollten wir uns auch mit anderen Themen beschäftigen: Tierschutz, Klimawandel, Rassismus, Armut. So viele Dinge, die alle unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Manchmal kann es aber wirken, als würden wir uns nur mit dem Thema LGBT, Queernes und Toleranz beschäftigen.
Als fehle uns der Blick für das große Ganze und wir wären hyperfokussiert auf eine Sache, wodurch wir andere Dinge vernachlässigen.
Falls ihr das Gefühl habt, dass Dinge, die euch wichtig sind, vernachlässigt werden, macht euch für diese Dinge stark. Statt einfach von den Dingen abzulenken, die eurer Ansicht nach zu großen Fokus bekommen, lenkt den Blick der Leute gezielt auf die Dinge, die euch wichtig sind. Findet Communitys, die sich für diese Dinge ebenfalls stark machen und ihr werdet sehen, dass es vielleicht nicht so vernachlässigt wird, wie ihr denkt. Holt euch von diesen Communitys wichtige Unterstützung und Kraft und macht euch für diese Thematiken stark!
Vielleicht steckt aber auch die Angst dahinter, dass Heterosexualität und Cis-Identität eine Außenseiterposition einnehmen könnten oder als inhärent intolerant angesehen werden.
Leider gibt es auch innerhalb der LGBTQ-Community schwarze Schafe, die extreme Ansichten vermitteln, Queerness für eine Agenda instrumentalisieren oder Intoleranz als Schutzschild benutzen, um sich vor Kritik zu schützen. Leider brüllen sie diese oftmals extremen Ansichten dermaßen laut nach draußen, dass der Eindruck entstehen könnte, die gesamte Queere Gemeinschaft wäre so, gleichzeitig zeichnen sie auch ein verzerrtes Weltbild, dass ironischerweise seinerseits dermaßen intolerant ist, dass Heterosexualität und Cis-Identität als Feindbilder dargestellt werden. Das schürt ein toxisches "Du bist Teil der Community oder dagegen"-Schwarz-Weiß-Bild, dass niemandem hilft und einfach nur unnötige Ängste schürt.
Diese Menschen sind leider sehr toxisch, machen glücklicherweise aber nur einen winzigen Teil der LGBTQ-Community aus. Die Angst, ihr währet in einer Außenposition, nur weil ihr nicht Teil dieser Community seid, ist unbegründet. Der allergrößte Teil ist sehr aufgeschlossen und heißt zeigt denen, die ihnen Respekt zollen, ebensolchen Respekt.
Unter dem Regenboten ist Platz für ALLE Sexualitäten und Identitäten!
Dies sind alle möglichen Aussagen, Bedenken oder Gefühle, die mir einfallen und falls ihr Ergänzungen oder persönliche Erfahrungen damit gemacht habt, würde ich sie gerne hier lesen. Es steckt oftmals keine beabsichtigte Intoleranz dahinter, wenn man sich über Political Correctnes oder Wokeness in Spielen aufregt.
Wer z.B. nach einem "LBGTQ-Filter" fragt, möchte vielleicht nicht Queernes "zensieren", sondern Spiele für diejenigen öffnen, die dabei ein Unwohlsein empfinden, für dass sie nichts können.
Wer sich darüber aufregt, dass queere Repräsentation auf ein Podest gestellt wird, könnte das Gefühl haben, dass dies den gegenteiligen Effekt von dem hat, was man erreichen will.
Eventuell steckt auch einfache Angst vor eigener Ausgrenzung dahinter.