Ja, klar geh ich auf die persönliche Ebene. Eigentlich musst ich mich dafür auch gar nicht bewegen, denn ich war ja längst dort. Das ist aber nicht ausschließlich einem charakterlichen Defizit, sondern der Tatsache, dass das Thema ganz individuell wahrgenommen wird, geschuldet. Denn auch du warst schon dort. Du musst ja irgendein spezielles Motiv oder Zugriff auf eine besondere Perspektive haben, die dich erschüttert. Es geht hier doch wirklich nicht um das bloße Aufzeigen von sexistischen Zuständen, die wurden bislang ziemlich klar und eindimensional bewertet. Ich finde daher, dass wir mit Begriffen wie "Sachlichkeit" oder "Objektivität" ganz vorsichtig umgehen sollten. Ebenso diskussionswürdig ist es, der Allgemeinheit hier die Offenheit abzusprechen.
Lass es mich mal anders sagen: Ja, natürlich ist Sexismus existent. Wobei ich hier ganz bewusst nicht "ist ein existentes Problem" sage. Dass wir uns bei der Bewertung nicht ganz einig sind, ist mir überhaupt kein Problem. Was mir allerdings gar nicht gefällt, ist deine Kategorisierung der Frau innerhalb der Gesellschaft - die der Opferrolle. Damit kommen wir auch wieder auf deine weiblichen Geschlechtsmerkmale zurück. Denn selbst wenn ein paar Brüste dich nicht dazu befähigten, für ein ganzes Geschlecht zu sprechen, nimmst du das anscheinend an. Aber Schluss damit. Am Ende denkst du, ich wollte dich damit lediglich beleidigen, doch tatsächlich halt ich deinen Denkanstoß ja für ne ganz noble Sache. Im Kern nur eben etwas festgefahren.
Im Wesentlichen sprechen wir hier doch von Klischees. Ich hatte erst neulich die Gelegenheit, Suikoden V einmal nachholen zu können. Ganz groß für dieses Thema! Gleich zu Beginn (Link hier) wanderte eine meiner Augenbrauen etwas kritisch in die Höhe, als ich die Frau mit dem absurd großen Busen bemerkte. Nun schließen wir diesen Fall entweder gleich und untermauern damit eine deiner Thesen, oder wir schauen nochmal ein wenig weiter. Meine nächste Frage war nämlich, ob der anwesende Haudegen eigentlich wirklich eine Augenklappe tragen muss. Doch anscheinend muss er das, weil er mal eben der alte Haudegen ist. Ändert nichts an der Tatsache, dass eine der anwesenden Damen nen absurd großen Busen hat, aber offenbar entschlossen sich die zuständigen Designer dafür, die Reife dieses Charakters auf solchem Weg zu symbolisieren. Nicht sonderlich elegant gelöst, aber es erfüllt den gewünschten Zweck. Die Frau mit dem großen Busen ist die reife Dame und der Kerl mit der Augenklappe ist der Kriegsveteran. Sollte ich als weltoffener, verständnisvoller und rechtschaffener Mensch nun wirklich aufschreien, weil eine der beiden anwesenden Frauen hervorstechende Geschlechtsmerkmale aufweist? Nun rattern wir mal nicht gleich dran vorbei, ohne die Ausstattung der Busen-Frau nicht sexistisch zu nennen, aber befinden wir uns deshalb nun in einem rein sexistisch orientierten Universum? Immerhin ist die zweite anwesende Frauen der Leibwächter des Prinzen, das existierende Königreich wird prinzipiell von Monarchinnen regiert und das Militär ist zu gleichen Stücken von Frauen wie von Männern besetzt. Darüber hinaus sieht man über die nächsten zehn Stunden kein anderes paar Busen mehr. So platt und doch so exemplarisch für solche Diskussionen.
Und nun sind wir mal bitte nicht ganz so blauäugig und betrachten die Entwicklung der Videospiel-Industrie. Falls nicht unlängst bekannt, möge man sich bitte nochmal vor Augen führen, dass ein Videospiel mittlerweile die Spitze des medialen Erfolgs anführt. Modern Warfare 3 verkaufte sich schneller, besser und effizienter als der erfolgreichste Kinofilm aller Zeiten. Diese Industrie kann und will sich gar nicht erlauben, das weibliche Geschlecht zu diskriminieren. Es sei denn, das Produkt ist ganz klar auf eine Zielgruppe ausgerichtet. Doch auch das ist vollkommen okay. Es ist ein Medium. Ein verdammt erfolgreich gewordenes Medium. Es gibt Zeitschriften für Männer, es gibt Zeitschriften für Frauen. Auf dem Titelblatt der Jolie ist kein Sportwagen abgebildet, auf dem Titelblatt des Men's Health kein Lippenstift. Auch das ist sexistisch, auch das ist okay. Solange es keine Diskriminierung ist, ist Sexismus okay. Es ist ein Klischee, nichts weiter. Klischees sind nicht immer richtig, wie auch ich gar nicht so stark auf Sportwagen anspreche, doch sie sprechen einen breiten Teil der Menschen an, bewegen uns, bringen uns zum Lachen.
Die Gesellschaft, die das verbietet, die begrüße ich recht herzlich mit einem: *klick*