- Offizieller Beitrag
Am Mittwochabend gehörte die große Bühne einmal mehr Sony. Das erste PlayStation Showcase seit September 2021 versprach einen Ausblick auf das, was Sony in den nächsten Monaten und darüber hinaus aufbieten will. Keine State of Play, sondern ein PlayStation Showcase. Das hat schon ein bisschen was von E3-Feeling.
Der Moment könnte nicht besser sein: Die PS5 stellt gerade Rekorde ein, legte das beste erste Quartal einer Konsole jemals hin. Sie ist endlich flächendeckend verfügbar. Und die Gerüchte vorab waren vielversprechend: Das Showcase soll die „nächste Phase“ einläuten.
Jim Ryan tritt zu Beginn der Präsentation zu allem Überfluss auch nochmal richtig auf das Gaspedal. Die Entwickler würden „gerade erst an der Oberfläche“ dessen kratzen, was möglich sei. Wir sollen uns auf die „atemberaubendsten und fantasievollsten Inhalte“ freuen. Das wird eine Show, yes! Doch Sony ließ jedes Momentum verpuffen.
Keine Perspektive
Außer Spider-Man 2 gibt es im Prinzip keine Perspektive, insbesondere nicht für Fans klassischer Singleplayer-Games. Dabei stellten sogar drei der in den letzten Monaten eingekauften neuen First-Party-Studios ihre neuen Projekte vor, aber hängengeblieben ist da bei mir wenig. Ich musste nochmal nachlesen: Die talentierten Menschen bei Haven Studios arbeiten an Fairgame$ – das war das Spiel, in dem man im wahrsten Sinne des Wortes gegen Milliardäre schießt.
Bungie kündigte mit Marathon das erste brandneue Spiel seit einer Dekade an und es ist ein Extraction-Shooter. Nichts anderes war zu erwarten, dafür hat Sony Bungie auch gekauft. Aber es lässt mich einfach so kalt. Die Firewalk Studios wurden erst vor ein paar Wochen eingekauft und schon da gab man bekannt, dass man für Sony einen Multiplayer-Titel entwickelt. Concord heißt er und na klar: Player versus Player und es wird geschossen.
Ja, die Live-Service-Games können wahre Goldgruben sein. In Unkenntnis des Genres ist mir nicht ganz klar, wann ein solcher Titel durch die Decke geht, aber wenn er durch die Decke geht, wirft er jahrelang gutes Geld ab. Oft genug wird die Kohle aber auch einfach nur verbrannt und die Spiele verschwinden nach wenigen Monaten im Datennirwana.
Es wird sich zeigen, wie es Marathon, Concord und Co. ergeht. Es werden beileibe nicht die letzten Live-Service-Games von Sony sein, schon vor über einem Jahr hat man den Fokus ausdrücklich verschoben. „Dieses Phänomen des Live-Service-Spiels hat das enorme Wachstum der Spieleindustrie, das wir in den letzten zehn Jahren erlebt haben, zu einem großen Teil angetrieben“, sprach Jim Ryan schon vor einem Jahr.
Aber ich will mich gar nicht so sehr an Live-Service-Games abarbeiten. Viele Fans mögen sie und ich habe nichts dagegen. Irgendeiner dieser neuen Titel wird schon einschlagen. Auch Spider-Man 2 wird einschlagen, ganz gewiss. Man muss nicht mal Marvel-Fan sein, um Spider-Man-Spiele zu lieben. Aber ansonsten gibt es keine Perspektiven, die bei mir irgendeine Form von Vorfreude erzeugen würden. Natürlich erscheint in Kürze Final Fantasy XVI exklusiv für PlayStation 5 und ich selbst habe in meiner Vorschau in dieser Woche geschrieben, ihr braucht spätestens jetzt eine PS5. Der neue Trailer war imposant, aber das Spiel ist eben gefühlt schon erschienen.
Es gibt ja auch diese Shows, von denen man sagt, da war „für jeden“ etwas dabei. Gewiss kann man das auch über das PlayStation Showcase vom Mai 2023 sagen. Neben Multiplayer-Action gab es ein bisschen von allem. Neva von den GRIS-Machern zum Beispiel, oder natürlich auch Dragon’s Dogma II und Alan Wake II, deren Auftritte so etwas wie kleine Überraschungen waren. Vom Metal Gear Solid 3 Remake kann man das wahrlich nicht sagen – das zudem nur mit einem CGI-Trailer gezeigt wurde. Und: Alles erscheint auch für Xbox. Kein Beinbruch, im Gegenteil.
Schon bezeichnend allerdings, wenn Xbox direkt nach einem PlayStation Showcase in den sozialen Medien einen Tweet absetzen kann, der einen Großteil der gezeigten Spiele, darunter auch eine der größten Ankündigungen, im feinen Xbox-Grün einrahmt. Ein Tweet an der Grenze zur Häme, die Xbox nicht gut zu Gesicht steht, aber ich muss zugeben, ich war auch erstmal ein bisschen belustigt.
Es fehlt die Bombe
Mir fehlte die Bombe, gern hätten es auch zwei sein können. Project Q passte gut in diese Präsentation, es ist irgendwie auch nur ein „bisschen“. Dass Spider-Man 2 überbordend den Abschluss bilden würde, war für mich nach 30 Minuten so klar, ich hätte einiges darauf verwettet, aber wer hätte dagegen gewettet? Nicht, dass es für mich etwas ändern würde und für die meisten, die diesen Text bis zum Ende gelesen haben, wahrscheinlich auch nicht.
Phil Spencer hat gewissermaßen schon recht, wenn er sinngemäß sagt, dass große (und teure) First-Party-Games eigentlich keine Konsolen mehr verkaufen. Die Kaufentscheidung für die meisten ist längst gefallen, die Bibliotheken machen einen Wechsel schwer, im besten Fall kauft man noch beide Konsolen, aber das machen die wenigsten.
„Wir haben eine Geschichte und eine Reputation für die Entwicklung dieser unglaublichen, erzählerischen Einzelspieler-Games wie The Last of Us und Horizon und das kommende God of War Ragnarök“, sagte Hermen Hulst im Oktober, als Ragnarök noch nicht erschienen war. Dieses Versprechen an die eigene Geschichte und an die Fans blieb man am Mittwochabend schuldig.
Dafür kann es auch Gründe geben, beispielsweise dass man einfach noch nicht bereit ist, Dinge zu zeigen. Aber das hat Publisher und Hersteller früher auch nicht abgehalten. Eher scheint es wahrscheinlich, dass Sony im Glauben ist, man müsse nichts zeigen, weil man Xbox voraus ist. Oder hat man tatsächlich nichts zu zeigen? Für mich ist das Momentum jedenfalls verpufft. Und es scheint eigentlich egal zu sein. Und nun bin ich noch mehr ernüchtert als vor diesem Meinungsartikel.
Bildmaterial: PlayStation