Gestern Abend veröffentlichte Kotaku einen Artikel, der in den sozialen Medien heftig diskutiert wurde und wird. „After Years Of Hype, The Xbox Game Pass Burnout Is Here“, so die Überschrift. Größere Aufmerksamkeit erhielt der Artikel durch einen Tweet des offiziellen Xbox-Game-Pass-Accounts. „Tell me you limit yourself to only AAA games without telling me you limit yourself to only AAA games“, antwortete der Firmen-Account.
Die Fans waren aus dem Häuschen. Während der Kotaku-Tweet derzeit bei etwa 3.300 Likes steht, erhielt die Antwort von @XboxGamePass überwältigende 45.000 Likes. „Ratio“ nennt man so was – eine Antwort zu einem Tweet war populärer als der Tweet selbst. Zur Wahrheit gehört, dass auch ich das zuerst „cool“ fand. Sorry.
Der Kotaku-Artikel thematisiert im Kern, dass es im Xbox Game Pass zu wenig AAA-Games gibt und deshalb erste Abonnenten kündigen. Unterlegt wird das mit zwei Meinungen recht populärer Journalisten. Tony Polanco twitterte, der Dienst sei „großartig“, aber es gäbe „keine AAA-Exklusivspiele“, die ihn zum Bleiben bewegen würden. Er käme wieder, wenn sie kommen. Washington-Post-Reporter Gene Park äußerste sich ähnlich und gab an, in letzter Zeit nur ein Spiel im Game Pass gespielt zu haben.
Kotaku macht dann eine einfache Rechnung auf, wonach sich die 15 US-Dollar pro Monat nicht lohnen würden, wenn man nicht wenigstens alle vier Monate ein AAA-Game im Game Pass durchspielt. Redfall und Starfield wurden verschoben, die Aussicht auf AAA-Exklusivspiele im Xbox Game Pass in den nächsten Monaten ist mau. Das ist nun mal Fakt und wenn man den Game Pass dafür abonniert hat, hat man aktuell gute Gründe, sich das Geld erstmal zu sparen.
AAA-Games und vor allem First-Party-AAA-Games sind das Alleinstellungsmerkmal des Xbox Game Pass und wie oft wurde in den letzten Wochen angemerkt, dass genau das dem neuen PlayStation-Plus-Modell fehlen würde. In den nächsten Monaten werden die First-Party-Games aber auch dem Xbox Game Pass fehlen.
Kotaku verweist im weiteren Verlauf des Artikels darauf, dass dennoch zahlreiche Multiplattform-AAA-Games den Weg in den Game Pass finden und man ja die Chance hätte, grandiose Indies zu entdecken, die vielleicht das Spiel des Jahres werden. Mit Tunic und Trek to Yomi nennt man sogar zwei beim Namen. Außerdem stünden die Chancen gut, dass Xbox das Line-up bei der Nicht-E3-Konferenz gehörig aufstocken könnte.
Eigentlich ein differenzierter Artikel, doch Kritiker werfen in den Ring, dass zwei Einzelmeinungen für diese Headline nicht ausreichen würden. Dabei wird vernachlässigt, dass beide Tweets durchaus auch Zustimmung erhalten haben. Und überdies, selbst wenn: Seit wann können Minderheitenmeinungen nicht thematisiert werden?
„Anecdotes aren’t data“, twittert Analyst Mat Piscatella zum Thema. Stimmt, aber der Kotaku-Artikel ist auch keine Studie. Warum können die Leute nicht einfach akzeptieren, dass jemand anders zockt, anders Zeit hat, andere Schwerpunkte setzt und das legitim ist?
Stattdessen wird ein cringe Tweet abgefeiert, da hat die Firma es diesem Schundblatt aber richtig gezeigt. @XboxGamePass führt seine Community in einen Feldzug gegen eine Publikation, die sich erlaubt hat, so etwas wie eine leise (und differenzierte) Kritik gegen einen Service der Firma zu veröffentlichen. Larry Hryb von Xbox feiert das mit einem „mic drop“-GIF.
Man muss sich mal vorstellen, das passiert in anderen Wirtschaftszweigen. Eine Zeitung würde einen kritischen Meinungsartikel veröffentlichen und ein Unternehmen würde das ironisch und mit Memes abwürgen wollen. Nur in der Games-Branche bringen dann wohl auch noch Leute die Zeit und Energie auf, dieses Milliarden-Dollar-Unternehmen aktiv zu verteidigen.
Bildmaterial: Xbox