Im Test! ENCODYA

  • Titel ENCODYA
    Japan 26. Januar 2021
    Assemble Entertainment
    Nordamerika 26. Januar 2021
    Assemble Entertainment
    Europa 26. Januar 2021
    Assemble Entertainment
    System PC (Steam und GOG – Windows/MacOS/Linux)
    Getestet für PC
    Entwickler Chaosmonger Studio
    Genres

    Indie-Adventure, Point-and-Click

    Texte
    Deutschland Nordamerika
    Vertonung Nordamerika

    Ein Point-and-Click-Adventure mit der Kulisse von Blade Runner und dem Spielstil sowie Humor von Monkey Island: Mit diesen Zutaten haben das estländische Entwicklerstudio Chaosmonger und der deutsche Publisher Assemble Entertainment für ihr Spiel ENCODYA geworben. Ob die Geschichte um die kleine Tina und ihren Roboterfreund den großen Fußstapfen gewachsen ist oder auf die Nase fällt, erfahrt ihr im Folgenden.

    Von einer, die auszog, ihren Vater zu finden

    In ENCODYA geht es um die 9-jährige Tina und ihren Roboter Sam, der als Vaterersatz und Beschützer seit ihrer Geburt an Tinas Seite steht. Das kleine Mädchen hat es alles andere als leicht: die Mutter gestorben, der Vater verschwunden. Alleine mit Sam lebt sie in einem Unterschlupf auf einem der unzähligen Hochhäuser der gesichtslosen Cyber-Metropole Neo-Berlin. In der Dystopie im Jahr 2062 hat sich die deutsche Hauptstadt in ein düsteres Loch verwandelt, dessen einzige Lichter von den Neon-Schildern und den VR-Brillen stammen, mit denen die Bewohner im Cyberspace aus der Realität zu fliehen versuchen.

    ENCODYA

    Tina fehlen ohne Unterstützung und Arbeit natürlich auch die benötigten Credits für eine warme Mahlzeit und so sucht sie in Müllcontainern nach essbaren Resten, um nicht zu verhungern. Als sie eines Tages bemerkt, dass Roboter Sam einen Code von ihrem verschwundenen Vater enthält, beschließt sie, ihn zu entschlüsseln und bricht mit ihrem mechanischen Beschützer zu einer wichtigen Mission auf.

    Die Geschichte von ENCODYA strotzt zwar nicht vor Innovation und bedient sich vieler, teils etwas ausgelutschter Thematiken wie Naturzerstörung, digitaler Isolation und künstlicher Intelligenz, hat aber auch ihre herzergreifenden und bittersüßen Momente. Tina und Sam wachsen einem im Spielverlauf durchaus ans Herz und vermitteln ein authentisches Gefühl von Freundschaft, trotz der Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Die wirkliche Suche nach Tinas Vater dümpelt aber eher vor sich hin und nimmt erst gegen Ende Fahrt auf, auch die genannten Themen werden nur oberflächlich angerührt.

    Ratespiel und Rätselfrust

    Das Gameplay von ENCODYA steht ganz in klassischer Point-and-Click-Manier. Per Mausklick bewegt ihr euch, interagiert mit der Umgebung und könnt herumliegende Gegenstände einsammeln, die dann den Weg in euer Inventar finden. Dabei könnt ihr jederzeit zwischen Tina und Sam hin- und herwechseln, was für manche Aufgaben auch vonnöten ist. Sam reicht aufgrund seiner Größe zum Beispiel an höhergelegene Hebel oder Kisten heran und kann als Roboter mit allen gleichgesinnten Androiden das Gespräch suchen. Wenn ein menschlicher NPC was gegen Blechbüchsen hat, springt ihr dann wieder zu Tina.

    ENCODYA

    Die Rätsel in ENCODYA basieren meist auf der Interaktion von gefundenen Items mit bestimmten Stellen in der Umgebung. Um an ein Busticket heranzukommen, müsst ihr beispielsweise ein eingesammeltes Glas in ein Loch einer Mauer stellen, um die dort hausende Kakerlake einzufangen. Mal gilt es dabei auch, die Gegenstände im Inventar miteinander zu kombinieren, bevor ihr sie verwenden könnt. Was simpel beginnt, wird sehr schnell sehr komplex. Wobei anstelle von komplex wohl eher undurchsichtig und abwegig die treffenderen Bezeichnungen wären. Denn der Kern von ENCODYA ist gleichzeitig seine größte Schwäche.

    »Vieles klappt nur durch reines Rumexperimentieren, erscheint nicht nachvollziehbar und ist deshalb schnell frustrierend.«

    Dies fängt bereits bei den zu sammelnden Items an. Während einige extrem offensichtlich im Weg herumliegen, fügen sich andere besser in die Umgebung ein als ein Chamäleon. Wenn ihr was überseht, fehlt euch der entsprechende Gegenstand dann natürlich beim Rätsel und ihr steckt fest. Das ist auch deshalb ärgerlich, weil das Spiel eine nicht unwesentliche Menge an Backtracking voraussetzt, darauf allerdings an keiner Stelle hinweist. Aber nicht nur Items können an bereits besuchten Orten gefunden werden, auch NPCs tauchen gerne mal unvermittelt aus dem Nichts in Seitengassen oder Läden auf, die ihr meint, längst erkundet zu haben. Zum einen muss man das erst einmal herausfinden, bevor man den Rest des Spiels entsprechend agiert, zum anderen macht das Ablatschen bereits besuchter Straßen eher wenig Spaß.

    Rumexperimentieren ist in ENCODYA notwendig

    Außerdem gibt es eine nicht unwesentliche Anzahl an Objekten, die bis zum Schluss keinerlei Zweck erfüllen sowie euer Inventar zumüllen und dann natürlich beim Rätseln stören und in die Irre führen. Spielt ihr ENCODYA auf der Schwierigkeitsstufe „Leicht“, könnt ihr durch das Gedrückt-Halten der Leertaste herumliegende Items leuchtend hervorheben, was zumindest das Verpassen verhindert.

    Leider damit nicht genug: Auch die Rätsel sind oftmals keine Knobelaufgaben oder Kopfnüsse, die ihr durch logische Schlussfolgerungen lösen könnt. Vieles klappt nur durch reines Rumexperimentieren, erscheint nicht nachvollziehbar und ist deshalb schnell frustrierend. Dies gilt für das Kombinieren von Items miteinander wie für das Benutzen der Gegenstände bei den interagierbaren Stellen in der Umgebung gleichermaßen. Solltet ihr mal feststecken, könnt ihr euch immerhin Hinweise bei Sam holen, vorausgesetzt ihr spielt auf „Leicht“. Leider sind die oft gar nicht hilfreich, außerdem kaut euch der metallische Begleiter ein Ohr ab, indem er euch ermahnt, doch bitte nicht zu oft nach Unterstützung zu fragen, weil sonst seine Schaltkreise durchbrennen. Diese Mahnung wiederholt er jedes einzelne Mal.

    Dadurch fühlt man sich schlecht, nach Hilfe zu fragen, obwohl das in Wirklichkeit gar keine Konsequenzen hat und man doch eigentlich einfach nur einen Schubs in die richtige Richtung braucht. Die teils zu gut versteckten Items, die oft nicht nachvollziehbaren Lösungen sowie das viel zu häufige Backtracking lassen daher leider keinen knackigen Rätselspaß aufkommen. Dass man dann noch ermahnt wird, nicht zu oft um Hilfe zu bitten, macht die Sache doppelt irritierend.

    Stimmige Cyberpunk-Optik mit hervorragendem Soundtrack

    Allgemein rockt ENCODYA eine sehr schöne und detailreiche Optik im Cyberpunk-Look. Besonders die Hintergründe und Straßenzüge sind abwechslungsreich gestaltet und sorgen für eine tolle Atmosphäre mit Neonlichtern und technologisch-frisierten Bauwerken. Auch die interkulturelle Mischung aus Berliner Wahrzeichen und architektonischen Einflüssen aus dem asiatischen Raum passt zum dystopischen Bild, das von der Hauptstadt im Jahre 2062 gezeichnet wird. Ebenfalls sehr gelungen sind die Roboter, die die Metropole an allen Ecken und Kanten bevölkern. Die Gesichter der menschlichen Charaktere, und da ist Protagonistin Tina vorne mit dabei, haben leider oft etwas von „Uncanny Valley“ und wollen aufgrund der befremdlichen Mimik nicht so recht in das sonst stimmige Gesamtwerk passen.

    »Besonders die Hintergründe und Straßenzüge sind abwechslungsreich gestaltet und sorgen für eine tolle Atmosphäre mit Neonlichtern und technologisch-frisierten Bauwerken.«

    Die Zwischensequenzen sind nett gestaltet, leiden aber natürlich auch etwas unter den eher weniger ansehnlichen Menschen. Außerdem sind sie der einzige Schwachpunkt in einem sonst technisch sauberen Spiel: Ohne ein paar Ruckler und Standbilder kam leider keine der Sequenzen aus, zwei sind sogar bis auf die Untertitel ganz und gar schwarz geblieben.

    Der Soundtrack ist dann wieder sehr stimmungsvoll und schafft eine wunderbare Kulisse für die einschüchternde Metropole. Die teilweise dröhnenden Klänge wechseln sich mit eher sanften Melodien ab und vermitteln so entweder Einsamkeit und Bedrohung oder Weitläufigkeit und Hoffnung. Viele der Geräusche sind metallisch angehaucht, was den Cyber-Flair unterstreicht, das gilt auch für die auftauchenden Synthesizer-Stimmen. Einzelne Klavier- oder Saxophon-Passagen sorgen für Abwechslung und sind ein Ausgleich zur sonst eher mechanisch klingenden Musik. Hinzu kommt das Prasseln des Regens, das ungemein zur Soundkulisse beiträgt. Ohnehin erinnert der Soundtrack mit seinen langgezogenen Tönen insgesamt sehr an eine filmische Inszenierung und nimmt sich Zeit, sich zu entfalten.

    Stumpf ist (T)Rumpf

    Der Humor von ENCODYA ist alles in allem ein zweischneidiges Schwert. Einige witzige Bemerkungen sollen die beklemmende Atmosphäre und Geschichte auflockern und schaffen es auch, ab und zu ein Schmunzeln zu entlocken. Vieles zündet allerdings gar nicht. Einige Witze finden auf der Metaebene statt und durchbrechen die vierte Wand, der Eingriff in die Immersion aber funktioniert selten, wie er soll, und lässt SpielerInnen wie Charaktere gleichermaßen verwirrt zurück. Die vielen Referenzen an Internetkultur und andere Videospiele sind selbst oft dann nicht lustig, wenn man sie versteht. ENCODYA weist damit viele Parallelen zum populären Werk Ready Player One auf: Nicht nur was das Setting und den Cyberspace angeht, sondern auch, weil es mit Referenzen um sich wirft, die charmant sein sollen, aber stattdessen deplatziert wirken.

    Gleiches gilt für die Gesellschaftskritik in ENCODYA, die wenig subtil wie ein Wink mit dem Zaunpfahl daherkommt. Da wäre zum Beispiel ein berühmter Politiker mit orangefarbenem Gesicht, der in der Rolle von Bürgermeister Rumpf den Antagonisten mimt und mit deutschem Akzent durch die Gegend poltert. Dessen Wahlplakate kommentiert Tina ganz dezent mit Beleidigungen und wutentbranntem Schnauben. Aber auch die sogenannten „Cyber-Zombies“, wie die Protagonistin und ihr Roboter die Menschen mit VR-Brille bezeichnen, die Cyberspace-süchtig auf der Straße herumhängen, haben mit Subtilität wenig gemein.

    »Die vielen Referenzen an Internetkultur und andere Videospiele sind selbst oft dann nicht lustig, wenn man sie versteht.«

    ENCODYA schneidet viele solcher Themen an: die fortlaufende Zerstörung der Natur durch technischen Fortschritt, digitale Isolation des Individuums, Machtproblematiken von Großkonzernen und Vorurteile gegenüber künstlicher Intelligenz beziehungsweise Robotern im Allgemeinen. Aber weil das Point-and-Click-Abenteuer mit seinen circa zehn Stunden Spielzeit kein besonders langes ist, werden viele dieser Thematiken nur sehr oberflächlich behandelt und können SpielerInnen in ihrer Masse überfordern. Wenn man alles ansprechen möchte, kommt leider auch alles zu kurz.

    Fazit

    ENCODYA ist ein charmant wirkendes Point-and-Click-Adventure, das vielen sicherlich wegen seiner besonderen Optik ins Auge springen dürfte. Die detailreichen Hintergründe und die wunderschön designte Spielwelt halten auch einem zweiten Blick stand und ergeben mit dem atmosphärischen Soundtrack eine starke Stimmung. Die Geschichte von Tina und Roboter Sam hat ihre Momente, verliert sich aber ein wenig in zu vielen Thematiken auf einmal und plätschert teils eher dahin. Ärgerlicherweise leidet das Gameplay sehr unter den oft nicht nachvollziehbaren Rätsel-Kombinationen und schwer findbaren Gegenständen. Nicht ersichtliches Backtracking und nervige Ermahnungen beim Fragen nach Hinweisen münden daher schnell in Frust. Wer sich in die Optik verliebt hat und beim Festhängen das Öffnen eines Walkthroughs nicht scheut, kann ENCODYA mit seiner kurzen Spieldauer trotzdem eine Chance geben und die Welt von Neo-Berlin genießen.

    Story

    Die Geschichte hat ihre herzerwärmenden Momente, langweilt aber oft aufgrund von Moral-Klischees.

    Gameplay

    Point-and-Click-Rätsel, die oft keiner Kombinationsgabe bedürfen, sondern reines Ausprobieren sind.

    Grafik

    Detailreiche und wunderschöne Cyberpunk-Hintergründe, menschliche Charaktere sind weniger gelungen.

    Sound

    Stimmige Soundkulisse, die mit Regen und einer Mischung aus Roboter-Geräuschen und Klavier-Einspielern eine tolle Atmosphäre schafft.

    Sonstiges

    Der Humor und die vielen Meta-Witze und Referenzen sind Geschmackssache.

    Bildmaterial: ENCODYA, Assemble Entertainment, Chaosmonger Studio

  • Hm, Grundidee klang interessant und sah auch schön aus, aber der Test zeigt doch einige Probleme auf, die mich sehr stören würden, weshalb ich erstmal verzichte.

    Yuriko-toki.png

    ~Make of thyselves that which ye desire. Be it a Lord. Be it a God. But should ye fail to become aught at all, ye will be forsaken. Amounting only to sacrifices.~