Im Test! Captain Tsubasa: Rise of New Champions

  • Titel Captain Tsubasa: Rise of New Champions
    Japan 27. August 2020
    Bandai Namco Entertainment
    Nordamerika 28. August 2020
    Bandai Namco Entertainment
    Europa 28. August 2020
    Bandai Namco Entertainment
    System PlayStation 4, Nintendo Switch, PCs
    Getestet für PlayStation 4
    Entwickler Tamsoft
    Genres Fußball, Action
    Texte
    Deutschland Nordamerika
    Vertonung Japan

    Captain Tsubasa blickt auf eine lange Karriere zurück. Zwischen 1981 und 1988 zeichnete der gleichnamige Manga die Reise des jungen Tsubasa Ōzora, der ehrgeizig danach strebte, sich in der Welt des Fußballs einen Namen zu machen. Die sonst eher Fußball-müden JapanerInnen nahmen die Geschichte um Tsubasa euphorisch auf, sodass diese über die Jahre in diverse Anime- und zahlreiche Videospiel-Adaptionen mündete. Auf letzterem Sektor war es zuletzt aber ruhig geworden. Mit „Captain Tsubasa: Rise of New Champions“ setzen Publisher Bandai Namco und Entwickler Tamsoft der Durststrecke nun ein Ende und widmen dem jungen Fußball-Ausnahmetalent eine frische Konsolen- und PC-Spiel-Umsetzung. Ob diese auch gelungen ist, verraten wir euch im nachfolgenden Test.

    Dramatik statt Simulation

    „Captain Tsubasa: Rise of New Champions“ begrüßt uns zum Einstieg gleich mit zwei Story-Modi.
    „Episode: Tsubasa“ präsentiert euch einen Ausschnitt der Geschichte aus der Vorlage. Ihr begleitet den Titelhelden Tsubasa Ōzora, der gemeinsam mit seiner Mittelschul-Mannschaft, dem FC Nankatsu, danach strebt, zum dritten Mal in Folge den Titel eines landesweiten Turniers nach Hause zu holen. Selbstredend, dass er dabei auf ähnlich zielstrebige und bunte Kontrahenten trifft, die ihm dieses Vorhaben erschweren.

    Tsubasa sieht sich ständig mit neuen Kontrahenten konfrontiert.

    Im Rahmen der verhältnismäßig kurzen Kampagne, lernen wir in einer Serie von Spielen und Tutorials die Spielmechaniken kennen. Und so viel sei schonmal gesagt, mit Fußballsimulation hat ‚Captain Tsubasa’ kaum etwas zu tun. Viel mehr müsst ihr euch auf Fußball im Arcade-Mantel einstellen. ‚Captain Tsubasa‘ tauscht nämlich bewusst spielerischen Tiefgang gegen eine Anime-typisch dramatische Inszenierung ein.

    Fußball im Action-Format

    »‚Captain Tsubasa‘ tauscht bewusst spielerischen Tiefgang gegen eine Anime-typisch dramatische Inszenierung ein.«

    Die Kernmechaniken eines Fußballtitels bleiben natürlich erhalten. Ihr sprintet, schießt, passt und grätscht den Ball über das Grün des Spielfeldes. Im besten Fall sorgt ihr dabei dafür, dass sich die Lederkugel über kurz oder lang im Tor des Gegners wiederfindet. Dabei müsst ihr allerdings deutlich weniger Fingerspitzengefühl oder taktisches Kalkül als in anderen Titeln beweisen, die sich dem beliebten Ballsport annehmen. ‚Captain Tsubasa‘ ist Fußball im Action-Format. Einen Schiedsrichter zum Beispiel? Gibt es nicht. Ihr könnt zur Rückeroberung des Balls also nach Belieben in den Gegner hineingrätschen. Gebrochene Knochen und rote Karten sind trotz fieser Animationen, in denen die Spieler gemein zu Boden stürzen, nicht zu befürchten.

    »Die Kernmechaniken eines Fußballtitels bleiben natürlich erhalten. Ihr sprintet, schießt, passt und grätscht den Ball über das Grün des Spielfeldes.«

    Jeder Spieler verfügt übrigens über „Willen“. Die gelbe Leiste erschöpft sich durch verschiedenste Aktionen, wie dem Sprinten, Dribbeln und Schießen und erholt sich daraufhin langsam wieder. Das Haushalten mit eben diesem Willen der Spieler bestimmt zu großen Teilen den Spielablauf. Im Kern gilt es, einen Schützen mit möglichst frischer Willensleiste in die Nähe des gegnerischen Tors zu manövrieren, um dem Torwart mit aufgeladenem Schuss einzuheizen. Und eben dies spielt sich nach Verinnerlichung der Systeme in seiner Simplizität angenehm intuitiv. Wir wissen irgendwann genau, wann ein Sprint sinnvoll ist oder zum Übersteiger angesetzt werden muss, um gegnerische Spieler zu umgehen. Mit schicken Animationen und dem Auffrischen unseres Willens werden unsere gelungenen Aktionen weiter belohnt. Den Willen behalten wir routiniert im Auge, während wir versuchen, den Ball an die Füße eines Stürmer-Kollegen zu bekommen, damit dieser den Schuss aufs Tor vorbereiten kann.

    Spezielle Schusstechniken werden Anime-typisch mit Funkensprüngen inszeniert.

    Manche Spieler verfügen nämlich über die Fähigkeit, einen speziellen Schuss vom Stapel zu lassen. Kenner der Vorlage werden bereits richtigerweise an ikonische Techniken wie Tsubasas ‚Top Spin‘ oder Hyugas ‚Tigerschuss‘ denken. Und eben diese werden dann auch Anime-typisch mit ordentlichem Elan und Funkensprüngen in Szene gesetzt.

    Der Wille ist nicht immer Segen

    Eine imposante Inszenierung feuriger Schüsse ist dabei übrigens kein Garant für einen Treffer. Im Gegenteil. Auch der Torwart verfügt über Willen. Je frischer seine Leiste, desto wahrscheinlicher gestaltet sich der Umstand, dass er einen Ball erfolgreich vom Tor bewahrt. Und das kann zuweilen frustrieren. Im konkreten Spielablauf gestaltet es sich nämlich so, dass ihr dem gegnerischen Torhüter wiederholt und mühsam den Ball um die Ohren schießt, bis sich seine Willensleiste so weit erschöpft hat, dass ihm die Parade eben nicht mehr gelingt.

    Solche Paraden werdet ihr öfter sehen.

    Das kann insbesondere dann in Stress ausarten, wenn wir storybedingt einen Gegentreffer kassieren, den es dann mit zahlreichen Torschuss-Versuchen wieder auszugleichen gilt. Es zerrt sowohl an Spielspaß als auch Atmosphäre, wenn die toll in Szene gesetzten, glühenden Kugeln je nach Status des Torhüter-Willens fast garantiert abgefangen werden. Hier hätte dem Spieler durchaus etwas mehr taktischer Einfluss auf das Geschehen an die Hand gegeben werden können. Selbst im Rahmen einer solchen Arcade-Ausrichtung.

    Stichwort Atmosphäre: Die Story-Einschübe inmitten der Spielpartien gestalten sich sehr gelungen. In regelmäßigen Abständen wird die Partie unterbrochen, um bekannten Gesichtern eine Bühne zu bieten. Wir treffen auf die akrobatischen Tachibana-Zwillinge oder den raubeinigen Kojiro Hyuga, die mitten im Spiel dramatisch ihre Fähigkeiten zur Schau stellen und uns herausfordernde Rufe entgegenbrüllen. Da kommt definitiv die Stimmung der Vorlage auf. Dies trägt sich weiter in die Phasen zwischen den Spielen. In Visual-Novel-Manier verarbeiten wir gemeinsam mit unseren Teamkollegen die letzte Partie und bereiten uns mental auf das nächste Spiel vor. Serien-Neulinge lernen so die Figuren und ihre Verbindungen zueinander kennen. Ab und zu dürfen wir zudem schicke Anime-Sequenzen bestaunen – diese stellen neben den vorherrschenden Visual-Novel-Abschnitten aber die absolute Ausnahme dar.

    Neue Story, neue Systeme

    Der zweite Story-Modus „Episode: Neuer Held“ gestaltet sich grundlegend ganz ähnlich, ergänzt dabei aber einige Spielmechaniken. Ihr kreiert einen eigenen Charakter im Rahmen eines übersichtlichen Charakter-Editors. Mit diesem startet ihr dann in einen frischen Handlungsbogen, der euch in eines von drei bekannten Schulteams platziert. Im Folgenden gilt es, sich für ein internationales Jugendturnier zu qualifizieren. Später trefft ihr dann auf die Nachwuchstalente aus Deutschland, Argentinien, Brasilien und Co.

    Im Gegensatz zu „Episode: Tsubasa“, verdient ihr euch in „Neuer Held“ Punkte durch geschicktes Agieren während der Spiele. Diese investiert ihr daraufhin in euren Protagonisten. Wahlweise steigert ihr so im Verlauf der (vergleichsweise deutlich längeren) Kampagne seine Schusskraft, Verteidigung, Ausdauer und Ähnliches. Zudem erlangt ihr durch wachsende Vertrautheit mit den Teamkollegen und anderen Spielern neue Fähigkeiten. Mit diesen könnt ihr euren Protagonisten nach Belieben ausstatten und weiter individualisieren.

    Gespräche mit euren Teamkollegen beeinflusst ihr nun ferner, indem ihr auf Fragen aus mehreren Antwortmöglichkeiten wählt. Das durchbricht die Passivität der Visual-Novel-Passagen etwas, die in „Episode: Neuer Held“ tendenziell zunehmen. Grundsätzlich sollte ein Interesse an besagten Spielabschnitten mitgebracht werden, denn in beiden Story-Modi lesen wir mindestens genauso viel Text, wie wir den Ball über das satte Grün befördern.

    Die Reise ist vorbei – und jetzt?

    Habt ihr Tsubasa und euren individuellen Protagonisten durch ihre jeweiligen Fußballreisen getragen, bietet euch „Rise of New Champions“ noch einige weitere Möglichkeiten, um dem beliebten Ballsport weiter zu frönen. In Versus-Matches könnt ihr etwa mit bis zu vier SpielerInnen gegeneinander antreten.

    Der Bearbeitungsmodus gibt euch hingegen die Möglichkeit, eure selbst erstellten Dreamteams zu verwalten und anzupassen. Außerdem könnt ihr Sammelkarten diverser Spieler erstehen, die euch nicht zuletzt die jeweiligen Spezialfertigkeiten zur Verfügung stellen. Die Karten werden übrigens einzig und allein durch die erspielte In-Game-Währung erstanden. Mikrotransaktionsgegner dürfen also beruhigt aufatmen.

    Ein Trainingsmodus bietet euch ferner eine Handvoll Tutorials, die euch die einzelnen Spielmechaniken noch einmal nahebringen. Und wenn ihr mal in Nostalgie schwelgen möchtet, öffnet euch der Archiv-Modus die Tür zu zahlreichen Musikstücken, Videos und Informationen zu den vielen Figuren, die ihr im Rahmen der Handlung kennengelernt habt.

    Startet eure eigene (Online-)Karriere

    Solltet ihr gerade mal niemanden zugegen haben, dem ihr die virtuelle Lederkugel um die Ohren feuern könnt, stehen natürlich auch Online-Modi parat, die euch gegen SpielerInnen weltweit antreten lassen. Die einfachen „Raum-Spiele“ ermöglichen etwa eine kurze, entspannte Partie gegen zufällige Online-SpielerInnen.

    Das sogenannte „Liga-Spiel“ ist hingegen auf eine längere Online-Karriere ausgelegt. In unterschiedlichen Ligen trefft ihr zum Einstieg auf CPU-Gegner, ehe ihr euch im Verlauf mit SpielerInnen messt, die eurem aktuellen Status entsprechen. Ihr verwaltet euer Team, regelt die Teamwerte und steigt, je nach Abschneiden in den Partien, die Ligen-Leiter auf oder ab.

    Charaktere top, Umgebungen flop

    »Technisch präsentiert sich „Captain Tsubasa: Rise of New Champions“ auf PlayStation 4 grundsolide. Die Charaktermodelle sind schick umgesetzt und viele Animationen begeistern aufgrund ihrer Nähe zur Vorlage.«

    Technisch präsentiert sich „Captain Tsubasa: Rise of New Champions“ auf PlayStation 4 grundsolide. Die Charaktermodelle sind schick umgesetzt und viele Animationen begeistern – neben einigen hölzernen – durch die Nähe zur Vorlage. Der Detailgrad der Figuren trägt sich allerdings leider nicht auf die Optik der Stadien und Zuschauerränge weiter. Hier fällt der visuelle Eindruck deutlich ab. Dafür lief der Titel im Rahmen des Tests stets flüssig und ohne jegliche Framerate-Einbrüche.

    Hinsichtlich der Sound-Ebene dürfen sich vor allem Fans der Vorlage über eine atmosphärische und gelungene Musikuntermalung freuen. Die – ausschließlich – japanische Synchronisation unterstreicht das Drama der Handlung zudem beherzt durch motivierte SprecherInnen.

    Gelungene Fußball-Action für Anime-Fans

    Ich bin eigentlich kein Fußball-Fan. Den unermüdlichen Tsubasa Ōzora habe ich in Kindestagen aber immer gern bei seiner Reise begleitet. Eben diese wohlige Erinnerung brachte mich nun auch dazu – mit „Captain Tsubasa: Rise of New Champions“ – einem Fußballspiel wieder eine Chance zu geben. Letztlich musste ich mich gar nicht groß in das Format klügeln, denn „Rise of New Champions“ geht es gar nicht darum, den beliebten Ballsport realistisch zu simulieren. Im Gegenteil: Euch erwartet Fußball im Action-Format. Spielerischer Tiefgang weicht zugunsten dramatisch inszenierter Story- und Gameplay-Momente und das muss einem bewusst sein und gefallen. In seiner Simplizität wusste mich das Kern-Gameplay zu fesseln. Die grundlegend gelungene Mechanik rund um den Willen der Spieler hat allerdings auch Schwachstellen, die dem Spielspaß und der Immersion zuweilen schaden. Nichtsdestotrotz begeisterten mich die spieltechnischen wie inszenatorischen Ideen mit ihrer Treue zur Vorlage. Im Ergebnis wusste mich „Captain Tsubasa: Rise of New Champions“ entsprechend über weiteste Strecken zufrieden „am Ball zu halten“, ha.

    Story

    Schnappt euch mit Tsubasa und dem FC Nankatsu die Landesmeisterschaft und folgt eurem ganz eigenen Protagonisten auf dem Weg in internationale Gefilde.

    Gameplay

    Actionreiche Fußballpartien mit gelungener „Willensmechanik“, die aber auch Schwachstellen aufweist. Darüber hinaus viel Story in Visual-Novel-Manier.

    Grafik

    Schick umgesetzte Charaktermodelle und viele Animationen begeistern – neben einigen hölzernen – durch ihre Nähe zur Vorlage. Die Umgebungen fallen hingegen trist und detailarm aus.

    Sound

    Gelungene, nostalgische Musikuntermalung. Die japanische Sprachausgabe unterstreicht das Anime-typische Drama der Handlung gekonnt.

    Sonstiges

    Der Titel weiß auch SpielerInnen Spaß zu bereiten, die sonst eher einen großen Bogen um das Thema „Fußball“ machen. Vorausgesetzt man bringt eine grundlegende Anime-Affinität mit.

    Bildmaterial: Captain Tsubasa: Rise of New Champions, Bandai Namco / Tamsoft