Bin sehr froh, den Thread entdeckt zu haben, so muss ich keinen eröffnen
Ich hab die erste Episode auch gerade durchgespielt. Es erscheint wöchentlich und nicht alle 5 Monate ne neue Episode und es wird ja nur 3 geben. Die 5 Episoden hatten Life is Strange 2 eher geschadet. Ne deutsche Synchro war für den Release geplant, aufgrund von COVID-19 aber erstmal noch nicht realisiert.
Mir hat die Episode überraschend gut gefallen. Ich glaube man braucht da kein Geheimnis draus machen, das ist Life is Strange. Vermutlich ist Tell Me Why mehr Life is Strange als Life is Strange 2 den Spirit des Erstlings und des Spin-Off's besaß. Dontnod zieht den Gang hier etwas nach hinten, baut sehr langsam eine Story samt Spielwelt auf. Das steht im kompletten Kontrast zu LiS 2. Du wirst aus deiner Idylle gerissen und bist nur noch auf der Flucht. Diese Slice of Life Elemente haben mir einfach enorm gefehlt. Es gab zu schnell Drama und das aller schlimmste war, Episode 1 hatte mir so runter gezogen, dass ich ne lange Zeit Episode 2 nicht angerührt hatte. Bei Tell Me Why ist das anders. Das Pacing ist zwar wirklich deutlich langsamer, aber ich will jetzt unbedingt wissen, wie es weitergeht. Wie der Titel es halt sagt geht es ja um das "Warum".
Großer Aufhänger hier ist, dass einer der Charaktere Transgender ist, ein Umstand, der Dreh- und Angelpunkt der Story ist.
Und meiner Meinung nach wesentlich natürlicher umgesetzt wurde als die Einwanderer-Geschichte aus LiS 2. Ich will meinen Kommentar jetzt nicht zu einem glorifiziertem LiS 2 x Tell Me Why Vergleich ausarten lassen. Aber so kam mir das eben vor. Stilistisch orientiert man sich sogar eher an Captain Spirit, was einen ebenso gemächlichen Aufbau hatte.
Wie weit das "Übernatürliche" in Tell Me Why geht, bleibt abzuwarten. Man hat aber mit den Erinnerungen und der Telepathie ein wesentlich interessanteres Gimmick, was man bisher recht gut eingesetzt hat.
Was mir enorm gut gefiel war das Märchenbuch. Ich habe jede einzelne Geschichte gelesen. So ganz war es am Anfang noch nicht klar, aber die ganzen Geschichten haben natürlich was mit den Zwillingen zu tun. Der Stil erinnere mich sehr an die Märchen von Oscar Wilde, allerdings ohne das irgendwer grausam stirbt am Ende. Hatte jetzt eigentlich nicht so viel Bock auf lesen, aber es hat mir dann doch viel Freude bereitet jede der Geschichten zu lesen, die ja auch noch mit einem Rätsel verbunden ist. Also man kann schon einiges verpassen in der Episode.
Gibt natürlich auch Sachen, die mir weniger gefallen haben. Wirklich großartige Entscheidungen gabs noch nicht wo ich sehe, dass diese die Story dramatisch verändern könnten. Wobei ich mir schon vorstellen kann, in welche Richtung das geht wenn ich mir so die Statistiken am Ende ansehe und was die Entwickler hervorgehoben haben.
Ein wenig kommt es mir aber auch langsam so vor, als hätte Dontnod mittlerweile alles aus dieser art an Spielen rausgekitzelt. Viele Ideen, Dialoge und auch die Metaphern fühlen sich mittlerweile etwas recycelt an und wirken etwas schal. Optisch finde ich, ist das Spiel auf Augenhöhe mit Life is Strange 2, sieht teilweise sogar sehr nett aus und weitaus weiger comiclastig, Frame Rate und Frame Pacing hingegen würde ich auf der normalen Xbox als etwas choppy bezeichnen, sollte aber meistens die 30 Bilder halten.
Im Spoiler habe ich auch noch was zu einer Aussage von @Falukoorv:
Was mir gefällt, ist, die Charaktere sind diesmal etwas älter und ich kann mich da auch etwas besser in ihre Story hineinversetzen. Was mir gefällt ist die Herangehensweise an die Story. Was auf den ersten Blick relativ klar zu sein scheint, wandelt sich relativ schnell wenn man eben erfährt, dass die Mutter gar kein Problem damit hatte, dass sich Tyler (so hieß er damals noch nicht) umorientiert was sein Geschlecht angeht. Man erfährt ausschließlich in vorgerenderten Rückblenden, was wirklich passiert ist. Man spielt hier mit dem "Suspense/Mystery" Stilmittel was sich immer etwas weiter ausbreitet und die so klare Geschichte am Ende eben doch nicht mehr so klar ist. Theoretisch wird am Ende der Episode sogar alles in Frage gestellt.
Das größte Problem bei den Charakteren sehe ich momentan noch bei Tyler. Er wirkt anfänglich wie ein anständiger Typ, driftet aber auch gegen Ende etwas zur Dramaqueen und Special Snowflake ab, was in eine Richtung geht, wo ich ihn mir nicht hin wünsche da ich ihn wirklich mochte die erste Hälfte. So war es für mich am Ende keine schwere Entscheidung, mich mit Alyson auf die Seite von Chief Eddy zu stellen. Einfach weil Tyler sich hier extrem kindisch und wenig sachlich trotz seines Versprechens benommen hat. Und in diese Richtung könnte es dann denke ich gehen mit den Entscheidungen, wo man am Ende vielleicht zwischen Tyler und einer anderen wichtigen Entscheidung steht und das Verhältnis der beiden zueinander auf den Prüfstand gestellt wird. Die Statistiken am Ende haben aber bewiesen, dass ich in der extremen Minderheit bin was die Geschichte auf der Polizeiwache anging. Dass ich im Einkaufsladen mich für die Vision von Tyler oder Alyson hätte entscheiden können, war mir absolut nicht bewusst und hat das Spiel auch nicht wirklich deutlich gemacht meiner Meinung. Man könnte hier wirklich unbewusst einiges verpassen.
Die Story könnte aber auch noch ins Übernatürliche abdriften, in einer der Rückblenden sieht man dann ja kurz diesen Mad Hunter vor sich hin grinsen, der ja eigentlich nur eine von der Mutter erdachte Figur war. Tyler sieht am Ende ja auch irgendeinen mysteriösen Schatten in der Polizeistation.
Und hier hoffe ich einfach, dass das ganze nicht in einen Twin Peaks Twist abdriftet, wo am Ende ein übernatürlicher "Bob", der andere Menschen mit seinen finsteren Geist beseelt, für alles verantwortlich ist. Also wenn so etwas kommt, würde ich das sehr schwach finden da es wirklich Twin Peaks wäre. Und ich weiß, wie sehr auch Dontnod auf Twin Peaks und Fire, Walk with Me abfährt. Ich bin auch großer Twin Peaks Fan, aber bitte nicht sowas in Tell Me Why einbauen. Ein übernatürlicher Twist ist willkommen, aber bitte den Mad Hunter vernünftig einsetzen.
Insgesamt also für mich ein vielversprechender Auftakt und sehe aktuell bei Tell Me Why Dontnod wieder in eine richtige Richtung marschieren. Würde mich am Ende nicht einmal wundern, wenn das der ursprüngliche Idea-Pitch für Life is Strange 2 war da sowohl Setting als auch die Prämisse um Geschwister sich etwas ähneln, man aber doch sehr schnell sehr andere Wege geht.