Und gerade die Wandlung von moralisch grauen zu heldenhaften Charakteren macht für viele eine Charakterentwicklung erst interessant. Vergleichbar in etwa mit Han Solo.
Prinzipiell schon. Man sollte aber auch sehen, welche Charaktere im Original überhaupt eine Charakterentwicklung durchmachen und wie gut diese geschrieben ist.
Jesse, Biggs und Wedge machen keine Entwicklung durch. Sind auch nicht dazu gedacht. Barret leider nur zum Teil. Er hat seinen Arc in Midgar und seinen Arc mit Dyne. Dazwischen passiert aber nichts weiter mit ihm.
Hier wird dieser narrative Wandel hingegen deutlich intensiviert. Nach der ersten Aktion hat das Team seine Zweifel. Doch Barret hält eine große Rede, dass man Opfer bringen muss, weil man das große Ganze sehen muss. Damit überzeugt er die Anderen gegen ihre Gewissensbisse, die nächsten Missionen durchzuziehen. Und ist so ganz persönlich für ihren Tod mitverantwortlich. Im Original hat er Shinra sowieso die Schuld für alles gegeben und konnte es irgendwie auch.
Hier kommt Barret aus der eigenen Schuld aber einfach nicht mehr raus. Und darauf muss er dann zukünftig iwie klarkommen. Das wurde im Original leider nie weiter thematisiert.
eigentlich sind Avalanche ja die Guten [...] Die Reaktion der Charaktere spielt für mich erstmal keine Rolle, weil ich mit ihrer Schuld letztendlich nicht wirklich mitfühlen kann, da ich ja als Spieler bereits weiß, dass Avalanche eigentlich keine Schuld trifft, unabhängig von ihrer eigenen Intention.
Und das verwässert meiner Meinung nach die Wirkung beim Spieler. Weil dieser eben nicht hinterfragen kann, ob seine Entscheidung bzw. den Weg, den laut in der Narrative beschreiten muss, moralisch vertretbar ist.
All das sehe ich im Orignal viel deutlicher als hier. Im Original wird Shinra gleich zu Beginn als das böse Imperium eindrucksvoll eingeführt. Barret quatscht einen die ganze Zeit damit voll und die ganze Szenerie könnte von den Bildern und der Musik her garnicht böser sein. Kurze Zeit später treffen wir auf die Turks, den Präsi, Scarlett, Heidegger, den Verhältnissen in den Slums usw.
Und wenn ich als Spieler gegen das übermächtige böse Imperium kämpfe um den Planeten zu retten, dann fühle ich mich selbstredend als Heldentruppe und hinterfrage nicht die Methoden, durch die das Spiel mich führt. Von Graubereich ist da nicht zu denken.
Interpretationsraum findet man vielleicht, wenn man ein paar bestimmte NPCs anspricht, aber ich denke mal, die allerwenigsten nahmen das damals wirklich ernst.
Was das Remake betrifft:
Wie schonmal geschrieben, ohne Avalanche hätte es die Explosion und Shinras Einschreiten nicht gegeben und somit verbleibt alle Schuld im Endeffekt bei ihnen. Sie werden nur mit den Folgen direkter konfrontiert.
Der Spieler weiß zwar, dass Shinra daran beteiligt war. Avalanche und die Bevölkerung wissen es aber halt nicht. Dadurch hat der Spieler nun die "Shinra Perspektive" hinzugewonnen, aber er verliert dadurch halt nicht die "Avalanche Perspektive". Diese würde er daduch verlieren, wenn Avalanche direkt mitbekommen hätte, dass es eigentlich Shinra war. Du spielst das Spiel nun also nicht mehr nur aus einer Perspektive sondern wirst gefordert, dich in verschiedene Perspektiven hineinzuversetzen. Auch innerhalb von Avalanche.
Dadurch durchlebst du die Hinterfragung auf mehreren Ebenen mit und kannst sie bei Bedarf in deinen eigenen Gedanken und vllt auch bezogen auf die eigene Lebensrealität weiterspinnen. Und deswegen kann ich da erstmal keine Verwässerung feststellen. Dadurch wirkt die Prämisse für mich viel komplexer als je in einem FF zuvor, weil halt eben nicht alles so gerade aus läuft.
Das schließt sich ja nicht mit dem aus, was ich schreibe, im Gegenteil. Ich würde es sogar mutiger finden, wenn SE den ursprünglichen Ansatz im Original weiterverfolgt hätte. Denn gerade kontroverse Thematiken verleihen meiner Ansicht nach einer Geschichte erst die richtige Würze und macht sie dadurch spannender.
Ich versteh den Gedankengang dahinter schon. Aber ich halte das eher für eine Fehleinschätzung, denn man hat ja so nur den Tunnelblick der Protagonisten und da man deren Handlungen vor sich selbst rechtfertigen kann, weil Shinra als das Böse gilt, interessiert man sich eher weniger für das Leid der Anderen.
Die Situation ist jetzt aber halt eben, dass wir die Situation provoziert, aber eigentlich nicht ausgelöst haben, obwohl wir es aber eigentlich schon wollten. Und nun sind wir mit dem damit verbundenen Leid konfrontiert, und bereuen es teilweise, es getan zu haben, obwohl wir es eigentlich nicht getan haben, was die Charaktere aber ja nicht wissen. Und ich frag mich die ganze Zeit schon, ob das Team noch davon erfahren wird, was wirklich passiert ist und wie sie darauf reagieren würden/werden. Für mich das die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle werden.
Weil es vielleicht viele Spieler gibt, die im Original keine Beliebigkeit sehen, sondern einen interessanten Ansatz, bei welchem man selber mal ein bisschen Hirnschmalz einsetzten kann. Und wenn man dies nicht möchte, hat man trotzdem noch ein gutes Spiel.
Ich würde das eher umdrehen. Ich finde es absolut klasse, dass wir nun mehr erfahren als vorher. Das wir die Wahrheit über Dinge erfahren, über die wir 20 Jahre höchstens spekulieren konnten. Und wer diesen Nostalgie-Bonus nicht hat, bekommt trotzdem ein gutes Spiel. Mit politischen Intrigen, mit innerparteilichen Konflikten, mit einem Action-ATB Hybrid KS. Und die Resonanz spricht im Großen und Ganzen doch für sich.