Titel | Dragon Quest XI S: Streiter des Schicksals – Definitive Edition |
27. September 2019 | |
Square Enix | |
27. September 2019 | |
Square Enix | |
27. September 2019 | |
Square Enix | |
System | Nintendo Switch |
Getestet für | Nintendo Switch |
Entwickler | Square Enix |
Genres | JRPG |
Texte |
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Vertonung |
Die Switch-Version von Dragon Quest XI ließ lange auf sich warten. Die Unreal Engine würde viele Ressourcen fressen und sei daher schwierig für Nintendo Switch zu optimieren, sagen manche. Viele Fans haben der Veröffentlichung für Nintendo Switch aber nicht nur wegen ihrer Liebe zur Plattform entgegengefiebert, sondern auch, weil sie einige der vielfach kritisierten Aspekte des Originalspiels ausbessert.
Ist es ein gelungener Port? Ein gelungenes Upgrade? Ein gelungenes Spiel? Dies und mehr werden wir in diesem Test besprechen. Wer den alten Test zur PS4-Version nachlesen will – der übrigens komplett unabhängig von diesem hier ist –, kann dies hier tun.
Bewährte Formel auch nach drei Jahrzehnten
Die Dragon-Quest-Serie ist seit jeher für ihre konservative und traditionsbewusste Herangehensweise bekannt. Während originelle Ideen und kleinere spielerische Experimente durchaus keine Seltenheit sind, weiß man dennoch immer, was man bekommt. Vielleicht ist dies ein Grund, warum die Serie im Westen nie einen großen Kultstatus erringen konnte.
So hatte die japanische Ursprungsfassung des Spiels trotz moderner 3D-Grafik nicht einmal vertonte Zwischensequenzen und der Soundtrack wurde erst für die Switch-Version wahlweise orchestral eingespielt – Spieler der PS4-Fassung müssen sich mit Musik im MIDI-Stil begnügen.
»Wer schon mal ein rundenbasiertes Rollenspiel gespielt hat, wird leicht ins Spiel hineinfinden.«
Auch spielerisch bleibt Dragon Quest XI sehr bodenständig. Wer schon mal ein rundenbasiertes Rollenspiel gespielt hat, wird leicht ins Spiel hineinfinden, denn die zugrundeliegenden Systeme sind denkbar simpel und unterscheiden sich in erster Linie kosmetisch von den Vorgängern.
Dragon-Quest-Fans werden sich auch in der Spielwelt sofort zuhause fühlen, denn es handelt sich um eine ebensolche klassisch-bunte Fantasy-Welt mit klassischer Story und einer Vielzahl skurriler Nebenfiguren wie in jedem anderen Teil der Serie – nur schöner und opulenter präsentiert als je zuvor.
Der Spagat zwischen Tradition und Moderne
Natürlich beugen sich auch Dragon-Quest-Spiele, trotz ihrer traditionsbewussten Natur, bis zu einem gewissen Grad modernen Konventionen. Kämpfen kann man zu großen Teilen aus dem Weg gehen oder gar automatisch bestreiten lassen. Verschiedene Schnellreise-Funktionen stehen zur Verfügung, einen Game-over-Bildschirm wird man nur selten sehen und Schlüsselmomente der Handlung werden durch aufwändige Videosequenzen in Szene gesetzt.
Auf der anderen Seite kann man das Spiel noch immer nur an ausgewählten Orten speichern (wobei regelmäßig Autosave-Spielstände angelegt werden). Noch immer werden die Kampfabläufe in Textboxen festgehalten und Menüs sind schmucklos. Auch dass man die Figuren im Kampf nun frei steuern kann, hat keinerlei spielerischen Einfluss. Für alteingesessene Fans mag das nostalgisch sein, aber gerade die umständliche Menüführung entspricht nicht dem Stand der Zeit. Wenn man sich für Standardaktivitäten wie Speichern oder Einkäufe in Shops jedes Mal durch etliche Textboxen klicken muss, wird das schnell mühselig.
Das Skillsystem ist ebenfalls denkbar simpel. Wie in Dragon Quest VIII erhält man für jeden Levelanstieg zwischen zwei und vier Skillpunkte, die man auf eine Waffenart (Dolch, Breitschwert, Bumerang etc.) verteilen kann, um Upgrades freizuschalten. Das einzige Mikromanagement, was man im Spiel also betreibt, ist das Wechseln von Ausrüstung und das Aufrufen des “Skillbaums” alle paar Level-ups.
Simple Is Best…?
Die Einfachheit des Ganzen hat durchaus einen Reiz. Man muss nicht viel nachdenken, kennt alle Elemente und kann sich ohne lange Tutorials oder das Studium von Guides ins Spielgeschehen stürzen. Auf der anderen Seite werden die Kämpfe aber auch relativ schnell repetitiv, weil sie zum einen extrem einfach sind und zum anderen wenig Belohnungswerte oder Anreize bieten, sich tiefer mit den Spielmechaniken auseinanderzusetzen.
Dies geht so weit, dass man fast alle Kämpfe (einschließlich der Bosskämpfe) durch die Autokampf-Funktion erledigen lassen kann. Dabei ist die KI nicht einmal sonderlich komplex. Die Möglichkeiten sind bloß so begrenzt, dass selbst eine einfache Logik genügt, um die Aktionen nachzuahmen, die der Spieler eh tätigen würde (Angreifen, Heilen, gelegentliche Buffs/Debuffs).
Der Schwierigkeitsgrad steigt mit Verlauf der Handlung an – allerdings nur sehr, sehr langsam. Wer Kämpfen nicht aktiv aus dem Weg geht, wird selbst mit einer sehr einfachen Spielweise keine Probleme haben.
Der extra für die westliche Spielerschaft implementierte Drakonische-Spielregeln-Modus (engl. Draconian Quest) bietet allerdings die Möglichkeit, sich den Schwierigkeitsgrad baukastenartig selbst zu konfigurieren. So kann man die erhaltenen EXP reduzieren, sich Zugang zu Shops sperren, die Gegner stärker einstellen oder gar sämtliche Rüstungen deaktivieren.
An dieser Stelle kurz ein Wort zur Musik: Koichi Sugiyama hat dem Spiel zwar einige durchaus schöne Stücke beschert, doch es entsteht der Eindruck, als wolle man ihn in seinem hohen Alter nicht mehr allzu sehr belasten, traue sich aber zugleich auch nicht, einen Zweitkomponisten anzuheuern. Dies ist bedauerlich, denn infolgedessen werden eine Menge Stücke älterer Dragon-Quest-Titel recycelt – etwas, was abgesehen von gewissen ikonischen Motiven früher nie der Fall war.
Eine schöne Spielwelt – mit viel verschenktem Potential
Meine größte Freude am Spiel war zugleich auch meine größte Enttäuschung: die Spielwelt von Dragon Quest XI. Während man sich zunächst durch hübsch präsentierte Standardgebiete bewegt, hat das Spiel im späteren Verlauf einige Augenöffner parat, für die allein man gern länger verweilt. Eine europäisch inspirierte Flussstadt voll bunter Häuser, ein idyllisches Mühlendorf inmitten goldener Kornfelder, eine Siedlung voller Onsen-Gasthäuser im japanischen Stil – solche Orte sind so schön gestaltet, dass das bloße Durchstreifen und Erkunden schon Spaß macht.
Dasselbe kann man leider nicht über die spielerischen Aspekte sagen, denn im Kern sind alle Oberwelt-Gebiete und auch die meisten Dungeons gleich aufgebaut. Während sich beispielsweise Dragon Quest VIII die Mühe gemacht hat, das Spielgeschehen mit besonderen Gegnern und optionalen Orten abwechslungsreicher zu gestalten – wohlgemerkt zu einer Zeit, wo eine Oberwelt dieses Ausmaßes allein schon besonders war –, laufen in Dragon Quest XI fast ausschließlich Gegner rum, die man in MMO-Sprech als „Trash-Mobs“ bezeichnen würde. Auch die meisten Schatzkisten öffnet man um des Öffnens willen und man erhält nur gelegentlich Items, die einen spürbaren spielerischen Mehrwert bringen.
An Charme mangelt es Dragon Quest XI mitnichten – von den NPCs über die Kampfanimationen bis hin zu den Namen der Spielbegriffe ist alles und mehr dabei, was seit jeher zum Goldstandard der Serie zählt. Charaktere führen im Kampf Tänze auf, Monster tauchen als Nebenfiguren auf, in den Kämpfen vereinigen sich Schleime zu einem größeren Schleim – derlei Details gibt es zuhauf und sie beweisen, wie viel Liebe in die Entwicklung von Dragon Quest XI geflossen ist.
»Auf die lange Spielzeit gestreckt fühlt sich Dragon Quest XI leider sehr repetitiv an.«
Umso bedauerlicher ist es, dass diese Liebe im spielerischen Design nur bedingt zu sehen ist. Ja, Dragon Quest ist traditionell und linear, das war schon immer so und gehört zu der Serie wie süße Alchemistinnen in ein Atelier-Spiel gehören. Aber gerade auf die lange Spielzeit gestreckt fühlt sich Dragon Quest XI leider sehr repetitiv an und reiht sich neben Xenoblade Chronicles und Ni no Kuni II in die Riege der modernen Rollenspiele ein, die zwar eine große, betörend schöne Spielwelt bieten, diese aber erschreckend wenig mit Inhalten füllen, die keine Abarbeitung von Routine-Tätigkeiten sind.
Dass man im Spiel gar nichts entdecken kann, stimmt natürlich so nicht. Im späteren Spielverlauf, wenn man genretypisch mehr Freiheiten genießt, entdeckt man hier und dort – und auch bei Rückkehr in alte Gebiete – durchaus Neues. Doch auf die Größe der Spielwelt und Länge des Spiels gestreckt ist das einfach zu wenig.
Klassische Heldenreise liebevoll erzählt
Wer Dragon Quest kennt, weiß in etwa, was man von der Geschichte erwarten kann. In einer zauberhaften Mittelalter-Fantasywelt schlüpft man in der Regel in die Rolle eines Auserwählten, der stets stumm ist und mithilfe einer bunten Truppe von Mitstreitern eine Bedrohung in Form des Erzbösen besiegen muss.
Was Dragon Quest den meisten Spielen mit ähnlich simplistischen Geschichten voraus hat, ist die liebevolle Präsentation. Die Charaktere sind alle gewissen Archetypen nachempfunden, die man bereits etliche Male gesehen hat. Doch die Dialoge und Zwischensequenzen sind voller Verspieltheit.
Das Spiel versucht selten, besonders emotional zu werden. Es gibt durchaus rührende Momente, gerade wenn die Vergangenheit einiger Figuren beleuchtet wird oder ein Subplot etwas melancholischer angehaucht ist, doch die sind nicht das Hauptaugenmerk. Allerdings sorgen die einfachen Interaktionen, das Gefühl einer Heldenreise mit lockerer Abenteuer-Atmosphäre und die vielen kleinen Eigenheiten der Städte auf dem Weg bereits für Freude.
An dieser Stelle muss auch die Lokalisierung erwähnt werden, denn diese verdient, wie die der Vorgänger, das höchste Gütesiegel. Wieder reden die Charaktere je nach Gebiet mit unterschiedlichen Dialekten und Akzenten – sei es in Form eines überzeichneten Gebrauchs italienischer Wörter, durch Texte im Haiku-Versmaß oder durch starken Slang in furchtbarer Rechtschreibung. Auch Orts- und Angriffsnamen sind kreativ übersetzt wie eh und je.
»Sowohl die deutsche als auch die englische Übersetzung brillieren.«
Sowohl die deutsche als auch die englische Übersetzung brillieren also. Genauso sehen lassen kann sich die englische Vertonung, über die sich meine Ohren ganz besonders gefreut haben, denn entzückenderweise wird vermehrt auf britische Sprecher zurückgegriffen, was ansonsten in japanischen Spielen sehr unüblich ist. Die melodische Natur des britischen Englisch unterstreicht den charmant-verschrobenen Ton des Spiels auf entzückende Weise.
Aus alt mach neu
Dragon Quest XI S bietet gegenüber dem Original eine Reihe neuer Features. Die nun endlich orchestrale Musik wurde bereits eingangs erwähnt. Wer die Kämpfe in der PS4-Fassung zu träge fand, hat nun die Möglichkeit, diese in bis zu vierfacher Geschwindigkeit abzuspielen, was selbst Bosskämpfe flott von der Hand gehen lässt.
Doch die wohl größte Neuerung zur PS4-Version ist die hübsche 2D-Fassung, die zuvor der 3DS-Version vorbehalten war. Man kann das gesamte Spiel inklusive der Kämpfe im 16-Bit-Stil spielen. In Kirchen kann man zwischen 2D und 3D wechseln, wobei dieser Wechsel nicht nahtlos ist: Man startet immer zu Beginn des letzten Story-Abschnitts.
Zwar ist Dragon Quest XI S auch im 2D-Modus ein vollwertiges und liebevoll designtes Spiel, doch allzu viele Ressourcen werden in diesen Modus nicht geflossen sein. Die Spielwelt ist deutlich kleiner, viele Details fehlen logischerweise. Die Kämpfe – hier nun Zufallskämpfe – sind größtenteils statisch, das heißt mit kaum Animation. Es gab schon zur SNES-Zeit genügend Spiele, die sich in ihrer Präsentation deutlich lebhafter anfühlten.
Dennoch stellt der 2D-Modus eine schöne Alternative für Retro-Liebhaber dar, die – und das möchte ich hervorheben – das Spielerlebnis auch deutlich entschlackt. Denn durch die kleineren Gebiete, simplen Kämpfe und spartanische Präsentation geht alles deutlich schneller. Perfekt für diejenigen, die das Dragon-Quest-Erlebnis ohne ein 60-Stunden-Hauptspiel (mit Nebeninhalten weit über 100) haben wollen.
Als kleines Schmankerl für Langzeitfans entführt eine Questreihe den Spieler übrigens in die Spielwelten der Vorgängerspiele (stets in 2D) – oder zumindest sehr kleine Abschnitte davon. Zwar immer nur für wenige Minuten, aber dies genügt schon, um für ein wenig Nostalgie zu sorgen.
Dragon Quest bleibt Dragon Quest
…und das ist auch gut so, würden viele behaupten. Schließlich wisse man zumindest, was man hier bekäme. Das ist wahr und in einer Zeit, wo so viele Serien sich vor die Wand gefahren oder mit fragwürdigen Experimenten die Finger verbrannt haben, durchaus viel wert. Die richtige Euphorie bleibt bei mir jedoch aus. Der repetitive Spielablauf ohne nennenswerte Höhepunkte einerseits und die extrem reduzierten Mechaniken andererseits sorgen für „Fast-Food-Gameplay“ – einfache Kost, doch ohne besondere Würze.
Unterm Strich bietet Dragon Quest XI S im Kern dennoch ein ausgesprochen charmantes, liebevoll gestaltetes, urklassisches JRPG-Erlebnis – nur eben leider auch eines mit vielen vermeidbaren Abzügen in der B-Note.
Story
Gameplay
Grafik
Sound
Sonstiges
Bildmaterial: Dragon Quest XI S: Streiter des Schicksals – Definitive Edition, Nintendo / Square Enix