Bildmaterial: Code Vein, Bandai Namco
Viele erinnern sich sicher noch an die Ankündigung von Bandai Namcos neuestem Action-RPG: Code Vein. Ein Soulsborne-Spiel mit Vampiren und düsterer Anime-Optik. Ebenso viele erinnern sich wahrscheinlich auch an den angepeilten Release im Frühjahr 2018.
Aufgrund heftiger Kritik seitens Fans und Presse am damaligen Build haben sich die Entwickler dazu entschieden, den Release um über ein Jahr nach hinten zu verschieben und sich noch einmal richtig in das Projekt hineinzuknien. Ob die zusätzlichen Ressourcen und Zeit sich gelohnt haben, durften wir anhand der Demo vom neusten Build selbst herausfinden.
Produzent Keita Iizuka ist für die deutsche Presse aus Japan nach Frankfurt am Main angereist, um die Früchte des letzten Arbeitsjahres mit uns zu teilen. Hier könnt ihr euch unser exklusives Interview mit Keita Iizuka zu Code Vein durchlesen.
Nicht viele Spieler können von sich behaupten, die alte Demo von 2017 gespielt zu haben. Daher fällt auch in diesem Fall der direkte Vergleich schwer. Da sich das Spiel jedoch eher mit der massiven Soulsborne-Konkurrenz heutzutage messen muss als mit sich selbst, ist das auch gar nicht so schlimm.
Soulsborne à l’Anime
Um die Überraschung vorwegzunehmen: Code Vein muss sich nicht vor den Genre-Kollegen verstecken, denn der Hauptaspekt dieser Spiele ist perfekt getroffen. Wenn man es mal nicht schafft (und man wird es oft nicht schaffen), dann will man es wieder und wieder versuchen. Die knackigen Bosskämpfe zermürben und motivieren gleichermaßen. Doch auch vor den noch so kleinen Monstern dazwischen muss man sich in Acht nehmen, denn auch hier wartet der Tod an jeder Ecke.
Code Vein ist die perfekte Fusion aus God Eater und Dark Souls bzw. Bloodborne. Wohl eher Letzteres aufgrund der höheren Geschwindigkeit. Das Gameplay als ähnlich zu beschreiben wäre wahrlich eine Untertreibung. Von der Ausdauerleiste, den Leuchtfeuern, den eingefangenen Seelen zum Aufleveln, über die schnellen Kämpfe, die zum Großteil aus Ausweichen bestehen, bis hin zu den Seelen, die man beim Sterben verliert und beim nächsten Durchgang wieder aufsammeln muss: All diese Aspekte und noch viele mehr sind praktisch identisch mit den FromSoftware-Ablegern.
Selbst die Gegner, die schlafen oder tot spielen, bis man nah genug herangeht, oder die Feinde hinter den Kisten, welche diese fragilen Objekte zerstören und dann direkt angreifen, sind hier wieder zu finden. Zum Glück kann man kein Patent auf Gameplay-Mechanismen anmelden, sonst wäre das eine heikle Geschichte gewesen. Oder womöglich auch nicht, da Code Vein und Dark Souls unter der Bandai-Namco-Flagge segeln. Der wichtigste Vergleich sitzt jedoch auch: beide Spiele machen unheimlich viel Spaß.
Traum-Editor
Die mitgebrachte Demo bestand aus zwei Teilen. Zum einen aus den ersten Stunden, zum anderen aus einem Sub-Dungeon, der in der Mitte des Spiels zugänglich wird. Und wie fängt so ein Spiel am besten an? Natürlich mit einem richtig guten Charakter-Editor. Dieser bietet fast alles, was das Anime-Herz begehrt und noch viel mehr.
Viele Mangaka könnten hier Hand anlegen, um den optimalen Hauptcharakter für ihr neustes Werk zu designen. Besonders in Sachen Haare, Gesicht und Make-up stehen der Fantasie absolut keine Grenzen im Weg. Das Endergebnis ist stets individuell und sieht beeindruckend aus.
Ein kleiner Wermutstropfen: die Auswahl der Basis-Klamotten, also Oberteile, Hosen und Schuhe. Diese sind in Sets bereits festgelegt und nicht so vielzählig wie die Accessoires. Es ist zwar für jeden was dabei, aber hier ist man eigentlich mehr gewohnt.
Zudem birgt die gigantische Vielfalt an Haarprachten und Accessoires die Gefahr von Clipping-Fehlern, die teilweise wirklich massiv sind. Zum Glück kann man bereits nach kurzer Zeit den Editor wieder aufrufen und sich neu einkleiden.
Nach Stunden des kreativen Austobens geht es sofort los. Ohne jegliche Erinnerung wird der Protagonist in eine postapokalyptische Welt geworfen, in der Blut das teuerste Gut ist. Was kein Wunder ist, da die Welt anscheinend von Vampiren besiedelt wird.
Eine unbekannte, breit- und fast barbusige Schönheit mit sanfter Stimme hilft bei den ersten Schritten und den ersten Kämpfen. Mehr soll zunächst zur Geschichte nicht erzählt werden. Außer, dass mich in den ersten Stunden eine Szene bereits sehr erstaunt und berührt hat.
Hart aber fair
Die groben Züge des Gameplays ausführlich zu erklären, wäre reine Zeitverschwendung. Was in allen Soulsborne-Spielen geklappt hat, funktioniert auch hier wunderbar. Das Kampfsystem ist schnell, läuft flüssig und speziell die Bosskämpfe machen einen fertig. Neu sind hingegen die Talentraster. Zu Beginn kann man zwischen drei verschiedenen Rastern aussuchen. Je nachdem, welches man gewählt hat, stehen einem verschiedene aktive und passive Spezialfähigkeiten zur Auswahl. Diese reichen von simplen Statusverbesserungen bis hin zu spektakulären Angriffen.
Hat man in der Demo einen bestimmten Abschnitt erreicht, erhält der Charakter weitere Auswahlmöglichkeiten, somit wird im fertigen Spiel sicher viel Raum zum Experimentieren sein. Die einzelnen Skills werden mit den Seelen, die man von gefallenen Gegnern sammelt, freigeschaltet und aufgelevelt. Leider befindet man sich dabei immer in einem Dilemma.
Nutzt man die Seelen für neue Skills, für das Verstärken bereits bestehender oder zum generellen Level-up, welches selbstverständlich mit lebenswichtigen Statusverbesserungen einherkommt? Diese Tatsache, kombiniert mit den vielen Waffen, die sich allesamt unterschiedlich führen lassen, garantiert viele Optionen für den Spieler, um seinen optimalen und individuellen Charakter zu erschaffen.
Was ebenfalls neu ist, ist das sogenannte Buddy-System. Hier kann man sich aus einer kleinen Auswahl von NPCs einen herauspicken und diesen mit in den Kampf nehmen. Während der kurzen Demo waren diese Mitstreiter absolut notwendig, um nicht frühzeitig zu Vampir-Futter verarbeitet zu werden.
Die KI hat ihren Job ordentlich gemacht und bereits nach kurzer Zeit will man seinen Buddy nicht mehr missen. Besonders, weil sie über ziemlich nützliche Heilfähigkeiten verfügen. Im fertigen Spiel wird dann meistens ein Buddy und ein weiterer Online-Spieler dem Hauptcharakter zur Seite stehen, sofern man die Online-Komponente aktiviert.
Go Shiina geht ins Ohr
Von seiner technischen Seite kann sich Code Vein ebenfalls sehen lassen. Die Anime-Optik mag zwar nicht jedem gefallen, aber die Charaktermodelle sehen hervorragend aus und auch die Umgebungen erzeugen eine schaurig-schöne Atmosphäre, auch wenn in den ersten Stunden noch nicht viel Abwechslung geboten wurde. Das Spiel läuft flüssig, die Texturen sehen gut aus und Treppchen waren absolut keine zu finden. Sehr schnell zieht einen dadurch die Kombination aus knüppelhartem Gameplay und schöner Anime-Grafik in seinen Bann.
So kurz vor dem Fazit gibt es dann nur noch eines zu sagen: während der kurzen Anspiel-Session hat mich ein ganz besonderer Mann bewegt. Zwar wurden nur wenige Tracks gespielt, aber in diesen paar Minuten konnte Komponist Go Shiina bereits zeigen, was für ein grandioser Musiker er ist. Jede Note war auf den Punkt getroffen und hat die Szenerie nicht nur unterstützt, sondern sie eleviert.
In der einen Szene hämmert sich ein monotones Dröhnen in den Kopf, das bis ins Mark wandert, und in der anderen trifft das Orchester mit sanften Melodien mitten ins Herz. Auch wenn man mit dem Genre oder der Anime-Optik nicht warm wird, dieser Soundtrack wird etwas ganz Großes, dem sich niemand entziehen kann.
Blood Vein oder Codeborne
»In diesem kurzen Preview habe ich Code Vein sehr, sehr oft mit Dark Souls bzw. Bloodborne verglichen. Das kommt natürlich nicht von ungefähr. Der wichtigste Vergleich ist aber folgender: Bloodborne sah gut aus, war fordernd und hat Spaß gemacht. Und eben das haben beide Spiele gemeinsam.
Noch Tage nach dem Anspiel-Event ist mir Code Vein nicht aus dem Kopf gegangen und ich wollte mehr, obwohl ich mindestens zehnmal bei drei verschiedenen Boss-Kämpfen gestorben bin. Dabei habe ich keinen einzigen besiegen können. Ich freue mich riesig auf den ausufernden Anime-Hauptcharakter-Editor, auf die breitbrüstigen Cosplay-Charaktere und den phänomenalen Soundtrack von Go Shiina.
Worauf ich mich weniger freue, ist der stumme Protagonist, die für Japan typisch zweifelhaften Dialoge, die kleinen technischen Fehler und die (noch) überforderte Kamera. Zumindest an Letzterer können die Entwickler noch arbeiten.
Selbstverständlich muss sich in den etwa 30 Stunden, die Code Vein mit seiner Hauptstory bietet, noch zeigen, ob die Geschichte, die Vielfalt der Areale und vor allem das Balancing der Gegner überzeugen können. Nach den wenigen Stunden, die ich bereits Hand anlegen durfte, ist eines jedoch vollkommen klar: die Entwickler haben jede Sekunde des letzten Jahres genutzt, um aus Code Vein einen wahren Hit-Kandidaten zu machen!«
Die Demo wurde auf PlayStation 4 Pro gespielt.