Ein interessantes Urteil fällte das Oberlandesgericht München am 17. Mai 2018 bezüglich eines Onlineangebots von Media Markt. Die Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen hatte geklagt und Recht bekommen. Demnach sind Händler dazu verpflichtet, bei Bestellungen einen konkreten Liefertermin zu nennen. Angaben wie „bald verfügbar“ oder „coming soon“ genügen diesen Vorgaben nicht, wurde entschieden. Insbesondere beim Videospiele vorbestellen sind solche Angaben keine Seltenheit. „Wenn Verbraucher eine Ware im Internet bestellen, müssen Anbieter angeben, bis wann die Ware geliefert wird“, erklärt Wolfgang Schuldzinski vom NRW-Verbraucherschutz.
„Bald verfügbar“ – das ist zu unbestimmt
Schon im Oktober erwirkte der Verbraucherschutz ein Urteil des Landgerichts München I. Grund der Klage war ein Angebot von Media Markt zum Smartphone Samsung Galaxy S6 im August 2016. Die Lieferangabe sagte ein „bald verfügbar“ voraus und forderte die Kundschaft auf, sich „jetzt ein Exemplar zu sichern“. Eine zu vage Angabe, die den gesetzlichen Vorgaben zur Informationspflicht nicht genüge, entschieden die Richter damals. Bis zum Ende des Liefervorgangs müssten Kunden wissen, wie lange die Lieferzeit maximal sein würde. Das Oberlandesgericht bestätigte das Urteil nun. Eine Revision wurde nicht zugelassen, es besteht aber noch die Möglichkeit zur Beschwerde, bis die Rechtskraft erlangt ist.
Bei Media Markt soll jedoch auf eine Beschwerde verzichtet werden, wie man gegenüber heise erklärte. Ohnehin sei diese Praxis veraltet. „Der Hinweis ‘Der Artikel ist bald verfügbar‘ wurde früher bei Artikeln, die noch nicht lieferbar waren, verwendet. […] Das ist jedoch bereits seit Januar 2017 nicht mehr der Fall. Aus diesem Grund werden wir auch keine Beschwerde gegen das Urteil des OLG München einlegen, da sich der Gegenstand der Klage längst erledigt hat.“
Videospiele vorbestellen: Das große Geschäft
Den florierenden Vorbestellermarkt in der Videospielwelt sieht man offenbar nicht in Gefahr. Dabei dürfte dieser vom Urteil am meisten tangiert werden. Der Vorbestellermarkt ist in der Branche in den letzten Jahren immer bedeutsamer geworden. Publisher wie Händler buhlen um die Gunst der Käufer, zahlreiche Boni für das frühzeitige Kaufen gehören inzwischen eher zur Regel denn zur Ausnahme.
Square Enix platziert Monate vor der Veröffentlichung bereits Vorbesteller-Steelbooks im stationären Handel.
Inzwischen gibt es nicht nur unzählige digitale Zusatzboni wie DLCs. Bei Shadow of the Tomb Raider geht Square Enix für mehr Sichtbarkeit im Handel sogar soweit, schon Monate vor der Veröffentlichung physische Steelbooks zu platzieren. Man investiert also geradezu in Vorbestellungen.
Das schicke Maya-Steelbook kann man bei Media Markt und Saturn für 4,99 Euro kaufen. Als Bonus liegen auch noch „drei hochwertige Art Cards“ mit Cover-Motiven aktueller Tomb-Raider-Spiele bei. Fans sind entzückt. Immerhin: Der Kaufpreis wird beim Release angerechnet. Und zumindest weiß man sicher, dass Shadow of the Tomb Raider am 14. September 2018 erscheint. Zumindest einigermaßen sicher.
Im Falle von FIFA 19 winkt bei einer Vorbestellung bei Media Markt sogar ein Vorabzugriff drei Tage vor der Veröffentlichung – wie attraktiv das für viele FIFA-Spieler ist, dürfte klar sein. In Assassin’s Creed Odyssey gibt es die Zusatzmission „Der blinde König“ nur als Vorbestellerbonus oder beim Kauf der teuersten von vielen Editionen. Nur einige von vielen aktuellen Beispielen.
Das ist die aktuelle Praxis bei Media Markt und Amazon
Ein Blick auf mediamarkt.de zeigt, dass es dort sogar eine eigene Kategorie für Games-Vorbestellungen gibt. 358 Artikel sind derzeit dort gelistet, tatsächlich sind alle Artikel zumindest mit einem Releasezeitraum versehen und kategorisiert. Death Stranding, Cyberpunk 2077 oder Beyond Good & Evil 2 sucht man vergebens.
Bei Amazon scheint man die Sache noch nicht ganz so sorgfältig anzugehen. Death Stranding ist „derzeit nicht verfügbar“, aber trotzdem zur Vorbestellung freigegeben. Ebenso The Last of Us: Part II und Final Fantasy VII Remake. Lieferung immerhin „am Erscheinungstag“. Dem Gerichtsurteil dürfte diese Praxis nicht entsprechen. Bei Devil May Cry 5 wagt man sogar eine „Bestellen Sie jetzt“-Aufforderung mit der Angabe des Liefertermins am 31. Mai 2019. Beyond Good & Evil 2 wird mit einem „Releasetermin“ am 31. Dezember 2019 gelistet. Derartiges nannte man bisher „Platzhalter“.
Die aktuelle Produktseite zu Devil May Cry 5 bei Amazon. „Bestellen Sie jetzt“. „Dieser Artikel erscheint am 31. Mai 2019“. Capcom hat den Releasezeitraum bisher offiziell auf „Frühjahr 2019“ eingeschränkt – vorläufig.
Das wird wohl eine Praxis sein, die sich in einer Grauzone bewegt. Amazon könnte argumentieren, dass dies der zu erwartende späteste Liefertermin seitens des Händlers ist. Gemeinsam mit der Herstellerangabe „Frühjahr 2019“ dürfte man auf der sicheren Seite sein. Insgesamt dürfte anzunehmen sein, dass Händler in Zukunft verstärkt darauf achten werden, ihre Produktseiten mit Lieferdaten oder zumindest konkreteren Angaben zu versehen. Zumindest in dieser Sache vielleicht zum Nachteil der Kundschaft, denn solche „Platzhalter“ haben noch nie für Transparenz gesorgt.
Ob mehr Platzhalter der Sache dienlich sind, darf angezweifelt werden. Beim Verbraucherschutz NRW hat man das Thema Videospielvorbestellungen schon länger auf dem Radar. Sicher nicht zu Unrecht. Die Argumente des Verbraucherschutzes sind nicht von der Hand zu weisen. In einem Artikel „Das Geschäft mit der Vorfreude“ warnt man vor Verschiebungen und spielerischen wie optischen Änderungen am Spiel im Zeitraum der Ankündigung bis zum Release. Außerdem berät man in Sachen Kaufrücktritt.
Embargos und Preisverfall sprechen gegen Vorbestellungen
Immer wieder passiert es trotzdem, dass Spieler mit Vorbestellungen auf die Nase fallen. Oft genug fällt das sogenannte Embargo für berichtende Medien erst am Releasetag. Testberichte sind im Internet dann dank Geheimhaltungsverträgen erst am Veröffentlichungstag zu finden, Kunden können sich nicht vorab bei neutralen Medien über ihr sehnlichst erwartetes Wunschprodukt informieren. Dafür läuft die PR-Maschine wenige Wochen vor der Veröffentlichung auf Hochtouren. Wie gut oder schlecht das Spiel ist, erfahren Spieler dann erst, wenn sie es bereits in den Händen halten. Auch über spürbaren Preisverfall wenige Tage nach dem Release sind Vorbesteller immer wieder entzürnt. Ein Lerneffekt war bisher nicht messbar.
Update am 18.07.2018 um 15:45 Uhr: In den sozialen Netzwerk wurde in einem Einzelkommentar der Vorwurf der Doppelmoral laut, weil in diesem Artikel einzelne Auswüchse des Vorbestellermarktes kritisiert werden, gleichzeitig auf JPGAMES aber Affiliate-Marketing (auch bei Vorbestellungen) zum Einsatz kommt. Dazu habe ich mich im Forum an dieser Stelle erklärt.