Xbox E3 2018: Wow, wow, wow! Ich bin ganz ehrlich: Na klar verfolge ich jedes Jahr die Xbox-Pressekonferenz bei der E3. Aber ich rechne mir da nichts aus. Ich war nie Xbox-Spieler (von Tales of Vesperia abgesehen) und mich interessiert persönlich keine der Microsoft-Marken wie Halo, Gears oder Forza Horizon. Was Microsoft gestern spätabends deutscher Zeit allerdings bei der Xbox-Pressekonferenz abgerissen hat, das war aller Ehren wert.
Leider war es fünf Jahre zu spät. Oder?
Die Xbox E3 2018: 50 Spiele, 18 Exklusiv-Games, 15 Weltpremieren
Photo by Casey Rodgers/Invision for Microsoft/AP Images
Das waren die zu Beginn präsentierten Zahlen der Pressekonferenz und das war erstmal ganz schön beeindruckend, wenngleich man auch genau weiß, dass das noch nicht viel zu bedeuten hat. Was „exklusiv“ ist, ist heute relativ und eine „Weltpremiere“ heißt nur, dass irgendetwas zum ersten Mal gezeigt wird. Und ja, 50 Spiele sind viele. Ich werde da jetzt nicht nachzählen, was wirklich exklusiv ist, ob’s für PC erscheint oder wie viel auch für PS4 kommt. Trotzdem: Das schraubte die Erwartungen hoch.
Halo Infinite, so kann man eine Xbox E3 2018 sicher beginnen, vor allem, wenn in den ersten 20 Reihen Xbox-Fans sitzen. Kurz bevor mich das unangenehme Gefühl beschleichen konnte, Phil Spencer würde zu viel erzählen, gab es endlich weitere Spiele. Ori and the Will of the Wisps und Sekiro: Shadows Die Twice. Es folgte Todd Howard. Bethesda hat in den letzten Jahren seine Marken erfolgreich rebootet und etabliert und wenn Todd Howard von der tollen Freundschaft mit Microsoft spricht, wird das vermutlich nicht in einem Exklusivspiel der Mega-Marken für Xbox gipfeln, aber immerhin sprang Fallout 4 für den Xbox Game Pass heraus.
Xbox ist die bessere Multiplattformkonsole
Mit Captain Spirit folgte dann erstmal wieder ein kurzes Kontrastprogramm, bevor es mit Crackdown 3 zurück zu den Exklusivspielen ging. Die Mischung stimmte bis dahin. Für eine Xbox-Umsetzung des erfolgreichen NieR: Automata musste man bei Square Enix sicherlich nicht lange betteln. Metro Exodus. Und dann wieder Phil Spencer, der sein Grinsen ob dem, was noch kommt, vermutlich auch hinter der Bühne nicht aus dem Gesicht bekam. Seine Message nun: Xbox One ist die bessere Multiplattformkonsole.
Diese Anmerkung ist wohl platziert. Man wolle „garantieren“, dass die Spiele auf Xbox One „am besten aussehen und sich am besten spielen“. An dieses Statement schließt dann auch gleich mal der E3-Trailer zu Kingdom Hearts 3 an, das gefühlt nur für PS4 kommt, aber eben auch für Xbox One. Keine schlechte Idee, daran zu erinnern. Battlefield V, Forza Horizon 4, das sieht schon ganz schön gut aus, auf Xbox One.
Xbox investiert in neue First-Party-Games
Wieder Phil Spencer, wieder eine neue Botschaft. Man hat ein neues First-Party-Studio gegründet, The Initiative. In Kalifornien wird unter der Leitung von Darrell Gallagher (Tomb Raider) gearbeitet. Das sind gute Nachrichten für Xbox-Fans und solche, die es werden wollen. Was dann folgt, ist eine wahre Shopping-Orgie. Phil Spencer verkündet den Aufkauf weiterer Studios in einer Art und Weise, wie es für mich persönlich fast schon unsympathisch war.
»Phil Spencer verkündet den Aufkauf weiterer Studios in einer Art und Weise, wie es für mich persönlich fast schon unsympathisch war.«
Microsoft kaufte nicht nur Undead Labs (State of Decay) und Playground Games (die ohnehin nur Forza für Microsoft entwickelten, aber nun an einem neuen Franchise für Xbox arbeiten). Sondern auch Ninja Theory, die zuletzt ganz stolz und unabhängig ihr AAA-Game Hellblade entwickelten. Dem folgte dann auch noch Complusion Games (We Happy Few).
Die Message ist klar: Microsoft positioniert sich als Hardwarehersteller mit einem beeindruckenden Portfolio an Entwicklerstudios. Genau genommen hat man das Portfolio „verdoppelt“ und das steht nicht zufällig gleich zu Beginn der Pressemeldung. Da muss ja in den nächsten Jahren fast zwangsläufig guter Exklusivkram bei rumkommen. Ein heftiges Geschmäckle hat die Sache natürlich. Die fünf neuen Studios folgen fünf geschlossenen Studios in den letzten Jahren.
Davon musste ich mich erstmal erholen. We Happy Few und PUBG flatterten vorbei, doch mit Tales of Vesperia: Definitive Edition hatte Microsoft dann wieder meine volle Aufmerksamkeit. The Division 2 folgten weitere Ausführungen zum Xbox Game Pass – eine ziemlich attraktive Sache für ziemlich viele Spieler und besonders im Hinblick auf Microsofts Streaming-Zukunft etwas, das man ganz sicher im Auge behalten muss.
Die Mischung stimmt – und kein Ende in Sicht
Jetzt war exakt eine Stunde gelaufen und es folgte ein fixer Zusammenschnitt vieler Indie-Games. Das hätte auch gut ans Ende der Pressekonferenz gepasst, aber heute war Microsoft an dieser Stelle noch nicht fertig. Vielmehr ging es erst richtig los. Ohne weitere Kommentare präsentierte man Shadow of the Tomb Raider, Session, Black Desert und ja – verdammt – Devil May Cry 5. Mit einer Erweiterung zu Cuphead macht man sicherlich nichts falsch, Tunic sah auch sehr schick aus.
Mit Jump Force gab es noch eine richtig japanische Überraschung. Die Mischung stimmt (das habe ich schon mal gesagt, oder?). Dying Light 2 – das mögen viele Leute. Ein neues Battletoads? Das war nun auch nicht unbedingt zu erwarten. Ja, zu sehen gab es nichts. Aber das haben auch schon andere Konsolenhersteller hinbekommen. Heute ist nicht so wichtig, ob man was sieht, sondern dass man es weiß. Sony hatte das Jahre zuvor verstanden. Just Cause 4. Das wird jetzt langsam zu multi? Gears-Pop! Keine Ahnung, wie das bei Gears-Fans ankommt. Aber es folgt ja auch noch Gears 5.
Nur „gut“ reicht Microsoft heute nicht
Phil Spencer, nun mit der zweiten guten Gelegenheit, diese Pressekonferenz zu einem guten Abschluss zu bringen. Aber heute ist es Microsoft nicht nach „gut“, sondern nach „sehr gut“. Phil Spencer wiederholt seine Botschaften. Viele Games, viele Studios und alles, was es überall gibt, ist auf Xbox am besten. Und jetzt geht es auch noch um die Zukunft. Phil Spencer denkt laut darüber nach, wo man die Spielerschaft als nächstes hinführen will. Und natürlich kennt er die Antwort. Das Xbox-Hardware-Team sei „deep into architecting our next Xbox consoles“ – to „set the benchmark“.
Der Xbox Game Pass dürfte zur Zukunft der Xbox-Konsolen gehören.
„Where can we take Gaming next?“
»Microsoft ist vielleicht fünf Jahre zu spät, aber gleichwohl auch ein Jahr früher dran als die Konkurrenz.«
Das passt doch nicht ganz zusammen. Warum haut man so eine Pressekonferenz raus, um dann im Prinzip eine neue Konsole anzukündigen? Microsoft mag mit dieser Pressekonferenz auf den ersten Blick fünf Jahre zu spät dran sein, um noch für Xbox One zu begeistern. Das liest man überall in den sozialen Netzwerken. „Ganz cool“, war diese Pressekonferenz. Aber „überzeugt“, eine Xbox One zu kaufen, das sei man nicht. Aber bei der Xbox E3 2018 hat Microsoft keine Xbox One mehr verkauft, man hat sich vorbereitet. Microsoft ist vielleicht fünf Jahre zu spät, aber gleichwohl auch ein Jahr früher dran als die Konkurrenz. Microsoft bringt sich in Stellung für die nächste Generation und die Botschaften bei dieser Pressekonferenz waren mehr als deutlich.
- Xbox ist und bleibt die beste Plattform für Multiplattform-Games
- Microsoft investiert extrem in First-Party-Studios und damit Exklusivspiele
- Die neue Konsole ist in Arbeit und sie wird wieder die stärkste
Alles yet to be proved, natürlich. Aber beim ersten Punkt sieht Microsoft schon in dieser Generation nicht ganz schlecht aus. Passend, dass man sich zum Abschluss der Pressekonferenz auch noch das Spiel schnappte, das potentiell technisch am Limit ist – Cyberpunk 2077. Dass Microsoft in First-Party-Studios investiert, das war wohl kaum zu übersehen. Ob die liefern, das wissen wir noch nicht. Aber sie arbeiten dran. Und wenn sie bei der E3 2019 erste Ergebnisse präsentieren, ist das noch früh genug.
Xbox will den Benchmark setzen und man glaubt es Spencer
»Microsoft bringt sich in Stellung für die nächste Generation und die Botschaften bei dieser Pressekonferenz waren mehr als deutlich.«
Und die neue Konsole? An der Technik wird es nicht hapern, möchte man fast schon meinen. Wenn Phil Spencer sagt, man wolle den „Benchmark setzen“, dann glaubt man ihm das. Dass man die Fehler der Anfänge von Xbox One wiederholt, scheint bei den Anstrengungen um Abwärtskompatibilität, Diversität, Game Pass und Kundenbindung nicht so wahrscheinlich. Wahrscheinlicher scheint da schon, dass Microsoft bei der nächsten E3 die neue Xbox vorstellt. Und dass diese zwar noch klassisch funktioniert, aber optional (das hoffe ich zumindest) auch ganz ohne Datenträger. Der Game Pass ist nur der Anfang, Spencer hat mehr als deutlich gemacht, dass Streaming unter das Forschungsfeld von Microsoft fällt.
Microsoft hat heute die Saat gelegt für einen guten Start in die neue Konsolengeneration. Die Konferenz hat Eindruck hinterlassen und einen positiven Ausblick geschaffen. Sony wird darauf in diesem Jahr noch keinen Schwerpunkt legen, das lässt zumindest die gedämpfte Erwartungshaltung vermuten, die man Fans vorab vermittelt, indem man sogar schon über konkrete Inhalte der Pressekonferenz aufklärt. Microsoft kann auf die E3 2018 aufbauen. Wie man mit einem „guten Gefühl“ und einer „Perspektive“ allein zum Start einer Generation Konsolen verkaufen kann, das hat Sony mit PlayStation 4 gezeigt. Mit einem schlechten Gefühl bin ich heute Morgen nicht schlafen gegangen.