Das bringt uns auch direkt zum nächsten Punkt, der Schwierigkeit. Desperados ist schwer, bockenschwer. Grundsätzlich ist zu Beginn praktisch jeder Mission nie klar, wie man vorgehen soll und die Situation wirkt auf den ersten Blick völlig aussichtslos. Auf den zweiten auch. Und den dritten.
Das klassische Problem ist hier, dass sich die Sichtkegel der Feinde sehr oft überschneiden. Man kann also einen Gegner nicht erledigen, ohne dass es der andere mitkriegt. Auch die Fähigkeiten der Charaktere funktionieren hier nur mangelhaft. Kates Kartentrick oder Sanchez Tequila, mit denen ich den Gegenspieler fortlocken kann, verlieren ihre Wirkung, wenn zwei von ihnen drauf reinfallen. Ständig passiert es, dass zwei Gegner gleichzeitig losmarschieren, wodurch ich sie nicht mehr unbemerkt ausschalten kann, teilweise sogar verzögert. Während einer gerade auf Kate reinfällt und verliebt auf sie zugeht, bemerkt ein anderer die gelegten Karten und geht der Sache ebenfalls auf den Grund, wodurch mir keine Zeit mehr bleibt, seinen inzwischen niedergeschlagenen Kollegen aus dem Weg zu räumen. Sehr oft sieht es so aus, als ob eine Strategie funktionieren würde, läuft am Ende allerdings doch ins Leere. Hier hilft einfach nur stupides Ausprobieren, wobei es wenig hilfreich ist, dass sich immer nur ein einzelner Sichtkegel einblenden lässt. Oft schöpft ein Gegner bereits Verdacht, ohne dass man davon etwas mitbekommt.
Überhaupt handeln Feinde immer sehr unberechenbar. Mal kann's passieren, dass jemand sofort ausflippt, wenn was stinkt, mal kümmert es ihn nicht, mal merkt er es gar nicht. Manchmal kommen Gegner, um das Verschwinden eines Kollegen zu untersuchen, mal nicht. Es kann passieren, dass jemand Alarm schlägt oder auch nicht, für einige Zeit wie ein aufgescheuchtes Huhn herumrennt und sich dann wieder beruhigt oder nicht, ebenso kann er andere Gegner alarmieren, die daraufhin ebenfalls patrouillieren oder kurz darauf wieder in ihre Verstecke zurückkehren oder gar nicht erst rauskommen. Es gibt immer eine gewisse Willkür im Verhalten der Gegner, das sich nicht vorhersagen lässt, was widerrum die Planung gewaltig erschwert. Nicht selten muss man einen alten Spielstand laden, weil man einen Fehler gemacht hat, was zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht klar war. Natürlich lernt man im Lauf des Spiels die Charaktere und den Nutzen ihrer Fähigkeiten besser kennen, aber regelmässig geht eine halbe Stunde einzig und allein dafür drauf, einen Feind aus dem Weg zu räumen, ohne dass irgendwer was davon mitbekommt. Häufig klappt eine Strategie beim fünften Versuch, obwohl sie die ersten vier Male gescheitert ist, weil man einen Köder zehn Zentimeter weiter zur Seite gelegt hat, weil ein Feind zwei Schritte weiter ist, weil man grade in dem Moment aktiv wird, damit der Verdachtstatus des Gegners doch nur dunkelorange statt hellrot wird. Das klingt zwar, als könnte man alle Probleme mit genug Planung umgehen, ist aber nicht so. Letztlich ist man heilfroh, wenn man endlich einen Schritt weiter ist, trotzdem bleibt ein unbedriedigendes Gefühl, weil man dein Eindruck hat, nur durch Glück statt durch Können so weit gekommen zu sein.
Nicht selten ist die Rambo-Methode deutlich einfacher und effektiver. Vielleicht macht sich da einfach das jahrelange Spielen von Assassins Creed bemerktbar und zugegeben verlangt das Spiel auch nie direkt, diskret vorzugehen, aber in einem strategischen Taktiker, in dem die Charaktere handlungsbedingt oft ungesehen vorgehen wollen, liegt's nunmal auf der Hand, den Ezio zu machen....was häufig die unkluge Wahl ist. Etwa ab der Mitte hab ich regelmäßig ein Blutfest veranstaltet. Alle Charaktere verstecken sich irgendwo, Sam legt sich am oberen Ende einer Leiter auf den Boden und schießt, wodurch sämtliche Gegner der Umgebung dahergelaufen kommen. Da sie aber nur hintereinander die Leiter nach oben können, gibt das Sam genug Gelegenheit, schön einen nach dem anderen aus nächster Nähe niederzuballern, bis dann halt knapp zwei Dutzend Leichen vor ihm liegen. Wenig Stil, aber sehr effizient und extrem befriedigend, wenn man sich seit 30 Minuten an einem einzelnen Feind die Zähne ausbeisst. Auch mit Sanchez im Team sinkt der Schwierigkeitsgrad rapide, da er die nützliche Fähigkeit besitzt, es in einem Versteck mit bis zu drei Feinden aufzunehmen. Sehr oft hab ich am Ende einfach die Aufmerksamkeit der Gegner geweckt, sie sehen lassen, wie Sanchez in irgendein Haus rennt, damit sie ihm nachkommen und dort von ihm vermöbelt werden. Mit Glück, etwas Geschick und Timing lassen sich auf diese Weise ebenfalls etliche Gegenspieler ohne Probleme ausschalten.
Trotzdem bleibt das gesamte Spiel verdammt schwer. Mit einem einzelnen Level ist man oft Stunden beschäftigt, bis endlich alles klappt und oft hilft nur simples Ausprobieren. Die Schnellspeicherung ist ohne Zweifel die wichtigste Funktion im ganzen Spiel und gefühlt alle 30 Sekunden muss man laden, weil doch wieder irgendwas schief gelaufen ist. Leider liegen beide Tasten auch direkt nebeneinander und mir ist es mehr als einmal passiert, dass ich mich grade in dem Moment, in dem ein Charakter erledigt wird, verdrückt und gespeichert statt geladen habe. Entsprechend war der Fortschritt etlicher Stunden im Arsch und ich konnte den Level nochmal neu beginnen.
Technisch funktioniert das Spiel ziemlich gut. Es gab keine Abstürze oder sonstige Probleme, das gute Stück ist allerdings auch schon 20 Jahre alt, also nach heutigem Maßstab wohl recht genügsam. Nur in ein paar Leveln hat das Laden und Speichern hin und wieder mehrere Sekunden gedauert, was durchaus nervig ist wenn man bedenkt, wie oft man beide Funktionen nutzen muss.
Die Präsentation an sich hat ihre Höhen und Tiefen. Die einzelnen Karten sind sehr groß und auch unglaublich detailverliebt gestaltet. Da hat man sich verdammt viel Mühe gegeben und überall noch Kleinigkeiten eingebaut. Die Synchronisation ist dagegen eher mäh. Heldenpon Cooper wird von Torsten Münchow gesprochen, der deutschen Stimme von Brendan Fraser, und er liefert gewohnt hohe Qualität ab. Da hört man den Experten mit jedem Satz raus und er schafft es perfekt, den gelassenen Cowboy zu vertonen. Bei den anderen Charakteren sieht es dagegen weniger gut aus, es sind größtenteils unbekannte Stimmen, die viel zu übertrieben sprechen und von denen man oft glaubt, sie wären am Tag der Aufnahmen direkt von der Straße geholt worden. Der freche Sam, der beinharte McCoy und die Lady Kate übertreiben mit Stimmlage und Betonung so oft, dass es eher lächerlich wirkt. Auch Sanchez erfüllt jedes Klischee des Mexikaners und spricht die Wörter auch noch falsch aus. Und sämtliche größeren Gegner klingen wie aus einem Cartoon am Samstag Morgen.
Das Ende ist übrigens eine ziemliche Bauchlandung. Cooper erlegt El Diablo, der aus seinem Fenster in einen Abgrund stürzt. Daraufhin wirft er ihm grimmig einen Dollar "für die Fahrt in die Hölle" hinterher. Ende.
Befriedigend ist das nicht, da man halt überhaupt nicht sieht, was hinterher passiert. Grade bei der nutzlosen Mia bleibt ein seltsamer Beigeschmack zurück, da sie als einzige in den Nachfolgern nicht mehr auftaucht und übrigens im Verlauf des Spiels auch zu einer Vollwaise wurde.
Trotz des mörderischen Schwierigkeitsgrades hatte ich doch sehr viel Spaß mit dem Ding und konnte die Geschichte nach gut 20 Jahren tatsächlich abhaken. Freu mich schon auf die beiden Nachfolger, die bereits bereit stehen, aber für die ich noch keine konkreten Pläne habe. Erfeulicherweise ist letztes Jahr nach 13 Jahren Pause tatsächlich ein dritter/vierter Teil erschienen, gute Verkaufszahlen sind erwünscht. Spiele im Wilden Westen gibt es halt nach wie vor noch viel zu wenige.
Beschäftigt war ich gut zwei Monate von Anfang Januar bis Anfang März, investiert hab ich 51,2 Stunden.
Wie oft keine Lust mehr aufs Korrekturlesen. Wird langsam zur Gewohnheit. Wea Rächdschaibfehla findt blabla yadda yadda